Modellansatz: Automorphe Formen
Hans-Georg Rück ist Professor an der Universität in Kassel in der Arbeitsgruppe Algorithmische Algebra und diskrete Mathematik. Im Rahmen des diesjährigen Weihnachtsworkshops der Arbeitsgruppe Zahlentheorie und Algebraische Geometrie an unserer Fakultät sprach er zu Drinfeld automorphen Formen. In unserem Gespräch gehen wir der Frage nach, was das ist und zu welchen strukturellen Einsichten diese Werkzeuge dienen können.
Automorphe Form ist ein sehr alter Begriff. Ausgangspunkt sind holomorphe Funktionen z.B. auf der oberen komplexen Halbebene. Statt Funktionen in einer komplexen Variablen werden jedoch Gruppen angewendet. Die automorphen Formen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Invarianzeigenschaften unter bestimmten Gruppen haben. Ein einfaches Beispiel für so eine Invarianzeigenschaft ist, wenn eine Funktion z.B. den gleichen Wert für die komplexen Zahlenwerte z und z+1 hat – also periodisch ist. Ein Beispiel für eine komplexere Operation ist es, die Zahl z nicht in eine Funktion einzusetzen, sondern eine Matrix auf sie anzuwenden.
Historisch entstanden sind solche Fragestellungen z.B. dadurch, dass man den Umfang von Ellipsen ausrechnen wollte. Gelöst wurde diese Frage mit Hilfe der Weistraßschen ℘-Funktion. Diese erfüllt eine algebraische Gleichung – die sogenannte elliptische Funktion. Hiervon werden ganze Klassen von Funktionen abgeleitet. Insbesondere auch die automorphen Funktionen.
Interessant daran ist, dass man gut mit automorphen Funktionen rechnen kann. Die automorphen Formen haben die angenehme Eigenschaft, dass Reihendarstellungen häufig nach einer endlichen Zahl von Gliedern abbrechen und auch Integrale sich durch solche endliche Reihen darstellen lassen. Außerdem hängen sie mit elliptischen Kurven zusammen, die letztlich ein wesentlicher Zugang waren, um den Satz von Fermat zu beweisen.
Im Kontext der hier betrachteten Drinfeld automorphen Formen werden statt ganzer Zahlen als Argumente Funktionenkörper als Werte eingesetzt.
Ein einfacher Funktionenkörper ist die Menge der Polynome in x. Er lässt sich (so wie der Körper der ganzen Zahlen auf rationale Zahlen erweitert wird) auf rationale Funktionen erweitern. Das Rechnen mit meromorphen Funktionen und Potenzreihen kann man auf Polynome übertragen.
Geometrische Interpretationen sind recht einfach. Für die Gruppe GL(2) ist das Grundgebilde eine unterteilte Gerade also ein endlicher Graph. Da es in der Regel Funktionen auf endlichen Gebilden sind, kann man es gut mit Hilfe eines Computer ausrechnen.
Die nächsten Schritte in der Untersuchung der Drinfeld automorphen Formen müssen nun sein: Die L-Reihe bestimmen und Werte an kritischen Stellen bestimmen. Hier besteht ein einger Zusammenhang zur Riemannschen zeta-Funktion.
Literatur und Zusatzinformationen
- J-P. Serre: A course in Arithmetic, Graduate Texts in Mathematics, Springer-Verlag, 1973. Insbesondere ist das "Chapter VII, Modular Forms" wichtig.
- M. Waldschmidt (ed.): From Number Theory to Physics, 2nd ed, Springer-Verlag, 2010. Wichtig ist besonders Kapitel 4 zu Modular Forms.
- D. Zagier: Modular Forms of One Variable, Sommerkurs, 1991.
- E.-U. Gekeler et.al: Proceedings of a Workshop on Drinfeld Modules, Modular Schemes and Applications, World Scientific, 1997.
- J. Bruinier e.a. The 1-2-3 of Modular Forms: Lectures at a Summer School in Nordfjordeid, Norway, (ed. K. Ranestad) Universitext, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York, 2008.
- F. Januszweski: L-Funktionen, Gespräch mit G. Thäter im Modellansatz Podcast, Folge 53, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2015.
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