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Sternengeschichten: Kommunikation mit Marsbewohnern im 20. Jahrhundert

Kommunikation mit Marsmenschen? Dafür gab es vor 100 Jahren durchaus plausible wissenschaftliche Gründe. Was da probiert wurde und was ein telepathischer Steuerbeamter damit zu tun hat, erfahrt ihr in der neuen Folge der Sternengeschichten.
Silhouette einer Person mit Fernglas vor dem Hintergrund eines dunklen Himmels.

»Drei Männer verbrachten die letzte Nacht wartend, neben einem Radioempfänger, in dem Versuch eine Nachricht vom Mars zu erhalten.« So beginnt ein Artikel, der am 24. Oktober 1928 in der britischen Zeitung »Daily Mirror« erschienen ist. Wir werden später noch erfahren, wer diese drei Männer waren und warum sie gehofft haben, dass sich Marsmenschen per Radiobotschaft bei ihnen melden. Ich beginne diese Geschichte aber mit der Zeit, in der sie spielt. Heute haben wir zwar jede Menge Grund, mit dem Mars per Funk Kontakt aufzunehmen. Aber wir tun das, weil wir im Laufe der Zeit jede Menge Raumsonden und Rover dorthin geschickt haben. Und die wollen wir von der Erde aus steuern; wir wollen ihre Daten empfangen, und so weiter. Wir wissen, dass definitiv nicht damit zu rechnen ist, dass sich irgendwelche Marsmenschen mit Botschaften bei uns melden und dass es auch nichts bringt, ihnen Nachrichten zu schicken. Es gibt keine Marsbewohner.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat die Sache aber noch ein wenig anders ausgesehen. Damals war es auch aus wissenschaftlicher Sicht nicht unplausibel, sich einen Mars vorzustellen, der von intelligenten Wesen bewohnt wird. Das lag einerseits daran, was wir damals über unseren Nachbarplaneten gewusst haben. Und andererseits vor allem daran, was wir nicht gewusst haben.

Der Mars war für uns lange Zeit nur ein rötlicher Punkt am Himmel. Zuerst war das ein Symbol der Götter, die sich da irgendwo im Himmel rumtreiben. Dann haben wir zwar rausgefunden, dass es sich um einen Planeten handelt muss, ein Himmelskörper, der so wie die Erde um die Sonne kreist. Aber sehr viel mehr gewusst haben wir nicht. In den ersten Teleskopen des 17. und auch in den besseren Modellen des 18. Jahrhunderts hat man nicht viel vom Mars erkennen können. Im 19. Jahrhundert sah die Lage schon ein bisschen besser aus, aber so wirklich viel war auch da nicht zu sehen. Ich habe in Folge 404 der Sternengeschichten von Giovanni Schiaparelli, Percivall Lowell und der Entdeckung der Marskanäle erzählt. Damals, gegen Ende des 19. Jahrhunderts dachte man, man hätte durchs Teleskop Kanäle am Mars gefunden. Künstliche Bauwerke, die Marsbewohner angelegt haben, um Wasser von den Polkappen (deren Existenz man ebenfalls im Teleskop sehen konnte) in die Wüsten des Äquators zu transportieren. Auch das klingt aus unserer heutigen Sicht absurd – und wir wissen ja auch, dass da keine Kanäle sind, sondern dass das optische Effekte und Fehler in den Teleskopen waren, die falsch interpretiert wurden. Aber damals hatte man eben so gut wie kein Wissen über den Mars oder die anderen Planeten. Man wusste, dass es sich beim Mars – und auch beim anderen Nachbarplaneten, der Venus – um Objekte handelt, die prinzipiell so wie die Erde waren. Also Himmelskörper mit einer festen Oberfläche und einer Atmosphäre. Man wusste außerdem, dass sowohl Mars als auch Venus prinzipiell genug Wärme von der Sonne abkriegen, um dort halbwegs lebensfreundliche Bedingungen zu ermöglichen. Und wenn unsere Nachbarplaneten bewohnbar sein können, nun ja – dann sind sie vermutlich auch bewohnt! Auch das war lange Zeit eine anerkannte Meinung in der Wissenschaft. Ein wenig beeinflusst auch durch die Religion hat man es quasi als Platzverschwendung angesehen, dass da Himmelskörper existieren, ohne das sie einen Sinn erfüllen. Und wenn offensichtlich der Zweck der Erde ist, die Heimat für uns Menschen zu sein, dann müssen die anderen Planeten das Zuhause anderer Wesen sein.

Gut, wir wissen heute, dass das Quatsch ist. Die Planeten sind nicht von irgendeinem Schöpferwesen nach Plan konstruiert worden; schon gar nicht für uns Menschen, die wir auch nicht die »Krone der Schöpfung« sind. Aber aus damaliger Sicht konnte man so eine Ansicht durchaus vertreten. Zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam dann noch ein weiterer Faktor dazu: In der Physik hat man gelernt, den Elektromagnetismus zu verstehen. Man war in der Lage, per Radiowellen Botschaften einfach so durch die Luft zu schicken. Was also lag näher, als zu versuchen, auf diesem Weg auch den Mars zu kontaktieren? Vor allem da der Mars gerade so schon nah war. Unser Nachbarplanet ist ja ein bisschen weiter weg von der Sonne als die Erde und braucht ein wenig länger für eine Runde um die Sonne. Der Abstand zwischen den beiden Planeten ändert sich logischerweise dauernd. Es kann sein, dass die Erde gerade auf der einen Seite der Sonne steht und der Mars weit, weit auf der anderen Seite. Aber alle zwei bis drei Jahre gibt es eine sogenannte Oppostion. Dann befinden sich Erde und Mars auf der selben Seite der Sonne und sind einander sehr nahe. Das nutzen wir heute aus, um in diesen Zeiten vermehrt Raumsonden zum Mars zu schicken. Im frühen 20. Jahrhundert nutzte man die Gelegenheit, um zu versuchen, mit dem Mars zu kommunizieren.

Im August 1924, als gerade wieder so eine Opposition stattfand, forderte zum Beispiel Curtis Wilbur, Sekretär der US Navy ein Telegram an alle Radiostationen der amerikanischen Küste. Man wollte die Astronomie unterstützen und daher sollen alle zwischen 21. und 24. August nach Radiobotschaften aus dem All horchen. Das war bei weitem nicht der erste Versuch dieser Art. Schon in den Jahren davor hatte zum Beispiel Guglielmo Marconi ähnliches probiert. Marconi hatte immerhin 1909 den Physiknobelpreis für seine Arbeit an der drahtlosen Telegrafie erhalten. Er hat immer wieder davon berichtet, seltsame Signale aufgefangen zu haben, die aus dem Weltall stammen würden, vermutlich vom Mars. Und warum nicht antworten, wenn die Leute dort uns offensichtlich kontaktieren wollen?

Womit wir jetzt wieder bei den drei Männern vom Beginn der Geschichte sind. Die Hauptperson ist Hugh Mansfield Robinson. Eigentlich war er Beamter in der Steuerbehörde des Londoner Stadteils Shoreditch, in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist er aber durch seine Kommunikation mit den Marsbewohnern. Die lief nämlich schon, als der Kommunikationsversuch im Jahr 1928, von dem die Zeitung berichtet, gestartet wurde. Schon zwei Jahre zuvor, während der Mars-Opposition 1926 hatte Robinson die ersten Botschaften mit dem Mars ausgetauscht. Für diesen Zweck hatte er extra ein Instrument erfunden, ein Psychomotormeter. Das klingt zwar beeindruckend, läuft aber darauf hinaus, dass Mansfield Robinson behauptet hat, mit dem Mars einen telepatischen Kontakt hergestellt zu haben. Und zwar mit einer Marsfrau namens Oomaruru, über zwei Meter groß, so wie es auf dem Mars üblich ist, mit langen Haaren und sehr großen Ohren. Abgesehen vom unüblichen Aussehen läuft es auf dem Mars aber so wie auf der Erde, man fährt mit Autos, trinkt Tee und raucht Pfeife. In der damaligen Zeit waren Telepathie und Spiritualismus zwar enorm angesagt – aber man kann sich denken, dass so ein telepatischer Kontakt mit Marswesen von einigen trotzdem für Quatsch gehalten wurde.

Vielleicht hat Mansfield Robinson deswegen auch die britische Post bemüht. Im Oktober 1926 fragte er an der Sendestation in Rugby, damals eine der stärksten der Welt, wie viel es den kosten würde, ein Telegram über eine Entfernung von circa 56 Millionen Kilometer zu senden. Zu seinem Glück verrechnete die Post dafür nur den üblichen Tarif für eine Auslandsnachricht. Also schickte Robinson seine Botschaft ab, die aus den Worten »Opesti, Nipitia, Secomba« bestand. Was das bedeuten soll, wissen wahrscheinlich nur Robinson und die Marsbewohner, an die sie gerichtet haben; erklärt hat er die Botschaft nie. Die Postbeamten wurden angewiesen, auf eine Antwort zu warten, die aber leider nie angekommen ist. Zum Glück konnte Robinson aber ja telepatisch bei Oomaruru nachfragen und wurde von ihr informiert, dass das Telegram wohl nicht durchgekommen ist. Zwei Jahre später startete Robinson einen neuen Versuch. Die Post war mittlerweile ein wenig skeptisch was die Angelegenheit anging. Aber sie machte trotzdem mit, nicht, weil sie das als ernsthaften wissenschaftlichen Versuch betrachtet hat, wie aus einer internen Nachricht über das Ereignis hervor geht, sondern weil das gute Werbung für das Telegraphenamt war. Die Nachricht, die am 24. Oktober 1928 geschickt wurde, bestand aus den Worten »Mar la oi de earth« was laut Robinson »Liebe an den Mars von der Erde« bedeuten soll. Und dann wartete Robinson auf eine Antwort. Mit ihm dabei waren ein Journalist des Daily Mirror, von dem auch der zu Beginn erwähnte Artikel stammt. Und Professor Archibald Low, der von der Zeitung als »der berühmte Wissenschaftler« bezeichnet wird. Und der zwar tatsächlich ein interessante Erfindungen gemacht hat, aber keinen Job an einer Uni und schon gar keine Professur hatte. Sich aber dennoch gerne als Professor bezeichnet und in der Öffentlichkeit präsentiert hat. Er mochte die öffentliche Aufmerksamkeit, und, als Autor von Science Fiction Büchern, fand er Marsbewohner sicher auch sehr spannend.

Der Rest der wissenschaftlichen Welt war zwar weniger von Low begeistert, aber egal. Einen Radioempfänger bereitstellen konnte er auf jeden Fall – aber trotzdem die drei Männer die ganze Nacht auf eine Antwort vom Mars warteten, kam sie nie. Die Post hatte die falsche Frequenz verwendet – das war zumindest die Erklärung von Robinson. Aber auch als er später eine andere Nachricht mit angeblich passender Frequenz von einer Station in Brasilien verschicken ließ, kam keine Antwort.

Danach gab Robinson den Versuch auf, Telegramme zum Mars zu schicken und gründete stattdessen eine Schule, um den Menschen Telepathie beizubringen, um so den Weltfrieden zu erreichen. Die Idee stammte natürlich von Oomaruru, die sehr besorgt angesichts des Mangels an Frieden auf der Erde war. Eine begründete Sorge in den späten 1920er Jahren, aber eine von Marsmenschen inspirierte Telepathieschule ist vermutlich nicht der beste Weg, um mehr Frieden auf der Welt zu erreichen.

Robinson starb 1940 – und bis heute haben wir kein Telegramm vom Mars erhalten. Man sollte sich aber dennoch nicht zu lustig über Menschen wie den telepathischen Steuerbeamten machen. Ok, Robinson ist schon ein ziemlich heftiger Fall und wäre heute wahrscheinlich ein waschechter Esoteriker und Pseudowissenschaftler. Aber dass man damals versucht hat, mit Bewohnern des Mars zu kommunizieren, ist zumindest aus der Sicht des frühen 20. Jahrhunderts nicht völlig absurd. Es gab durchaus eine wissenschaftliche Basis für dieses Vorhaben. Wir tun das ja heute immer noch. Nicht mit dem Mars. Aber wir probieren herauszufinden, ob es Leben auf den Planeten anderer Sterne gibt; wir suchen sogar – mit höchst wissenschaftlichen Methoden – nach Botschaften intelligenter Außerirdischer und überlegen uns, wie wir mit etwaigen Aliens sinnvoll kommunizieren können. Ob das die Menschen der Zukunft genauso für Quatsch halten wie wir heute die Arbeit von Mansfield Robinson und Co wird sich zeigen. Aber egal ob Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft: Den Wunsch, nicht allein in diesem großen Universum zu sein, können wir alle verstehen.

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