Wirkstoffradio: Sonnenmilch, Soja-Sauce und Chromatographie
Bernd und André sitzen wieder zusammen in Bernds Wohnzimmer. In der letzten Folge, WSR003 Vom Naturstoff zum Wirkstoff – Interview mit Prof. Wessjohann war Bernd alleine in Halle (Saale) am IPB, weil Ludger Wessjohann recht viel zu tun hatte und nur an einem einzigen Tag Zeit für ein längeres Gespräch hatte, und ausgerechnet an diesem Tag André keine Zeit hatte.
Wir erwähnen kurz, was wir eigentlich tun, im Wirkstoffradio. Also nicht nur, dass wir zwei Wissenschaftler sind die über alles Mögliche quatschen, dass mit Wirkstoffen und Wirkstoffforschung zu tun hat, sondern auch, dass wir uns sehr freuen, dass der Leibniz Forschungsverbund »Wirkstoffe und Biotechnologie« uns bei dem unterstützt was wir tun. Herzlichen Dank!
André ist beim hören des Interviews mit Ludger Wessjohann noch etwas eingefallen, bei dem auch viele Naturstoffe vorkommen – bei der Sonnenmilch oder Sonnencreme. Darin sind UV-Filter enthalten, die direkt vom Naturstoff abgeleitet sind. Es gibt zwar auch physikalische Filter, wie Titanoxid oder Zinkoxid, aber die sind hier nicht gemeint. Die kleinen Partikel aus diesen Stoffen sorgen dafür, dass das UV-Licht an ihnen gestreut wird und dadurch keine Wirkung auf den Körper hat. Die organischen UV-Filter funktionieren anders, sie nehmen UV-Strahlung auf und geben sie in einer längeren Wellenlänge wieder ab. Das ist der gleiche Effekt dem die deutlichen Farben eines Textmarkers zugrunde liegen. Die intensiven »neon«-Farben kommen durch Farbstoffe zustande, die ebenfalls UV-Licht aufnehmen und es in langwelligerer Form – meistens blaues Licht – wieder abgeben. Betrachtet man also einen Textmarker-Strich im Sonnenlicht, nimmt unser Auge das sichtbare Licht wahr das vom Strich reflektiert wird UND sichtbares Licht, dass durch die enthaltenen Farbstoff aus UV-Strahlung »hergestellt« wurde. Diese Wellenlängenverschiebung nennt man Stokes-Verschiebung (oder Stokes shift). André hat zu dem Thema für die Lange Nacht der Wissenschaft 2016 in Berlin und Potsdam ein Video gemacht:
Zurück zu organischen UV-Filtern in der Sonnencreme. Die Naturstoffe auf denen die am häufigsten Verwendeten organische UV-Filter in Sonnenmilch baisieren sind Campher, Zimtsäure, und Homosalat oder Homomenthylsalicylat. Letzteres ist ein Esther der Salizylsäure – die Bestandteil des sehr bekannten Schmerzmittels ASS oder Acetylsalicylsäure ist, und damit haben wir eine kleine Verbindungen zu unserer ersten Folge, in der wir ASS recht ausführlich mit Prof. Höltje besprochen haben.
André war jedenfalls glücklich, dass ihm zum Thema Naturstoffe etwas mit Lichtabsorption eingefallen ist – Menschen, die sich mit viel mit Mikroskopen beschäftigen sind dann immer besonders glücklich. Aber auch direkt in der Mikroskopie werden von Naturstoffen abgeleitete Substanzen und Proteine benutzt. Das beste Beispiel dafür ist das grün fluoreszierende Protein (GFP), das in einer Qualle entdeckt wurde. Hier noch ein Link zur 3D Struktur des GFP in der PDB.
Bernd erzählt etwas von seinem Besuch am IPB zur Aufnahme des Interviews mit Ludger Wessjohann – besonders wie es war die großen Proben-Sammlungen zu sehen, will André von ihm wissen. Bei Bernds Erzählung fällt André dann die Geschichte einer Soja-Saucen-Firma aus Japan ein, die er mal in einem Vortrag gehört hat. Und natürlich haben wir das Video dieses Vortrags für euch heraus gesucht, es geht direkt mit der Soja-Saucen-Geschichte los:
Im Prinzip geht es um einen Soja-Saucen-Hersteller, der durch den Tsunami 2011 in Fukushima komplett zerstört wurde. Da die Herstellung von Soja-Sauce bestimmte Hefe-Pilze benötigt, drohte der Geschmack dieser bestimmten Sauce für immer verloren gegangen zu sein – aber zum Glück hat die Firma ein paar Wochen vor dem Tsunami eine Probe des Pilzes an eine Universität gegeben, und so konnte die Soja-Saucen-Produktion wieder aufgebaut werden. André hat dazu nur englischsprachige Quellen gefunden – bitte kommentiert oder sagt Bescheid, wenn ihr eine Quelle auf deutsch kennt.
Bernd erzählt vom Gewächshaus für Nebelwaldpflanzen am IPB in Halle, in dem er auch Ludger fotografiert hat – etwas auf das Ludger und Bernd im Interview gar nicht zu sprechen gekommen sind.
Außerdem sprechen wir auch nochmal den Appell von Ludger an, in dem er sagt, dass er sich die Publikation von mehr negativen Ergebnissen in der Wissenschaft wünschen würde. Ludger ist da nicht der einzige, die Helmholz-Gemeinschaft hat dazu Standpunkte einiger Forscher zusammen getragen: Ergebnis negativ, Forschung positiv.
André fragt Bernd wie man Extrakte herstellt und daraus dann einzelne Stoffe isoliert. Bernd erklärt dies ausführlich, und hier ist eine kleine Link-Liste mit Dingen die Bernd erwähnt.
- Extraktion (Verfahrenstechnik) (Wikipedia-Artikel)
- Perkolation (Technik) (Wikipedia-Artikel)
- Fritte (Filter) (Wikipedia-Artikel)
- Fraktion (Chemie) (Wikipedia-Artikel)
- Lösungsmittel – Löseeigenschaften (Wikipedia-Artikel)
- Chromatographie (Wikipedia-Artikel)
- HPLC – Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (Wikipedia-Artikel)
- Für die Chromatographie: die Säule (Wikipedia-Artikel)
Wir reden dann weiter über die Vorbereitung der Proben für eine Extraktion. Besonders Proben von Pflanzen oder Pilzen werden sehr fein gemahlen und teilweise auch zunächst in flüssigem Stickstoff gefroren, damit durch Reibungswärme beim Zerkleinern keine einzige Substanz kaputt geht. Übrigens auch ein spannender Perspektivwechsel: Einfrieren ist für die Pflanzenstruktur sehr zerstörerisch – aber für eine Extraktion ist man nur daran interessiert die kleinen Moleküle der verschiedenen Inhaltsstoffe zu erhalten und die werden nur durch Wärme beschädigt, niemals durch Kälte.
Bernd schließt den Kreis der Extraktion: Wir unterhalten uns darüber, was mit den einzelnen Fraktionen gemacht wird, die wir aus der Chromatographie heraus bekommen und welche Schwierigkeiten dabei auf eine/n Wissenschaftler*in warten können. Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf den ganzen Vorgang: Wie viel Arbeit es wirklich ist Naturstoffe aus Pflanzen herauszuholen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.