Modellansatz: Zerstäubung
Corina Schwitzke ist Gruppenleiterin im Institut für thermische Strömungsmaschinen (ITS) am KIT. Gudrun wollte gern ein Gespräch über partikelbehaftete Strömungen mit ihr führen, denn dies ist ein wichtiges Thema in beiden Arbeitsgruppen.
In Corinas Institut gilt das Interesse vor allem der Zerstäubung von Kerosin zu feinen Tröpfchen in Flugtriebwerken Seit 10 Jahren gibt es dort Strömungssimulation mit einer sogenannten Partikelmethode. Die Partikel in dieser Anwendung sind Stützstellen der Rechenmethode und repräsentieren die Flüssigkeit, z.B. Kerosin, und das Gas, d.h. die verdichtete Luft. Vom Blickpunkt der Simulation aus sind die Partikel eigentlich nur Diskretisierungspunkte, die sich mit der Strömung mitbewegen. Sie repräsentieren dabei ein Volumen und die benutzten Koordinaten "schwimmen" mit dem Fluid, d.h. die Methode benutzt ein Lagrange-Koordinatensystem.
Die Gleichungen, die der Simulation zugrunde liegen, sind die Navier-Stokes Gleichungen – zunächst isotherm. Falls die Temperaturänderung mitbetrachtet werden muss, dann erfolgt das durch das Lösen der Energiegleichung, für die die diskrete Fassung sehr einfach zu realisieren ist. Das für den Zerstäubungsprozess gut geeignete numerische Verfahren, das am ITS umgesetzt wurde (und dort auch noch weiter entwickelt wird) ist Smoothed particle Hydrodynamics (SPH). Die Methode wurde zu Beginn der 1970er Jahre für die Simulation von Galaxie-Entstehung entwickelt. Ein großer Vorteil ist, dass das Verfahren sich extrem gut parallel implementieren läßt und die Simulation Gebiete ausspart, wo zunächst nichts passiert. Außerdem ist es einfacher, die Physik des Tröpfchenzerfalls zu modellieren als mit den klassischen kontinuumsmechanischen Ansätzen.
Der wichtigste Aspekt für die Simulation der Kraftstoffzerstäubung ist die Oberflächenspannung. Sie muss physikalisch und numerisch richtig beschrieben werden und führt dann dazu dass ein Flüssigkeitsfilm in Tropfen zerfällt. Hier geht das Wissen um Oberflächenspannungskoeffizienten ein, die aus Experimenten gewonnen werden ebenso wie die erwartbaren Kontaktwinkel an Wänden. Das Kräftegleichgewicht von angreifenden Scher- und Oberflächenkräften muss die modellierende Physik abbilden – die numerischen Partikel bekommen daraus direkt eine Geschwindigkeit zugewiesen, die auch ausdrückt, ob der Film reißt oder zusammenhängend bleibt.
Diese Partikelmethode vermeidet die Probleme von gitterbasierten Verfahren beim Reißen des Films, denn Grenzflächen werden automatisch mittransportiert. Durch die gut skalierende parallele Implementierung ist es möglich, mit einigen Milliarden Partikeln zu rechnen.
Die Ergebnisse der Simulationen haben vielfältige Anwendungen. Eine ist es Schadstoffemission zu minimieren. Das ist möglich durch erzwingen der vollständigen Verbrennung des Kraftstoffes oder durch die Vermeidung der Entstehung von Stick- und Schwefeloxiden im Prozess. Das kann durch die Kraftstoffverteilung und über die Temperaturniveaus gesteuert werden.
Eine andere Anwendung, die mit diesen Ideen schon funktioniert, ist die Kühlung von Zahnrädern in Getrieben durch einen Flüssigkeitsstrahl. In Zukunft soll auch die Simulation von Zerstäubung einer Biomasse möglich werden, die nichtnewtonsche Fließeigenschaften hat. Das große Ziel am ITS, das in naher Zukunft umgesetzt werden soll, ist ein virtueller Prüfstand für Zerstäubungsprozesse.
Corina Schwitzke (geb. Höfler) hat Verfahrenstechnik an der Uni Karlsruhe studiert mit einem Schwerpunkt in Richtung Strömungsmechanik und Verbrennungstechnik. Ihre Diplomarbeit fertigte sie in Los Angeles zu einem Thema im Kontext von Verbrennung an. Es folgte eine Promotion an der KIT-Fakultät Maschinenbau in Karlsruhe, in der sie die Grundlage für die physikalische Modellierung der Zerstäubung mittels der SPH-Methode leistete. Studierende aus der Technomathematik und Informatik sowie dem Maschinenbau unterstützen das Institut in der Implementierung des Verfahrens.
Literatur und weiterführende Informationen
- M.C. Keller e.a.:Turbomachinery Technical Conference and Exposition : Volume 2B – Turbomachinery Proceedings of ASME Turbo Expo 2017, Charlotte, North Carolina, USA, 26th – 30th June 2017, Art.Nr. GT2017-63594, ASME, New York (NY). doi:10.1115/GT2017-63594, 2017.
- M.C. Keller e.a.: Numerical Modeling of Oil-Jet Lubrication for Spur Gears using Smoothed Particle Hydrodynamics, 11th International SPHERIC Workshop, Munich, Germany, June 13-16, 2016, 69-76.
- S. Braun e.a.: Simulation of Primary Atomization: Assessment of the Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) Method ICLASS 2015 / 13th International Conference on Liquid Atomization and Spray Systems : August 23-27, 2015, Tainan, Taiwan. Ed.: Ta-Hui Lin
- C. Höfler:Entwicklung eines Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) Codes zur numerischen Vorhersage des Primärzerfalls an Brennstoffeinspritzdüsen. Dissertation. 2013. Karlsruhe. doi:10.5445/IR/1000048880
- J.J. Monaghan: Smoothed Particle Hydrodynamics. Annu. Rev. Astrophys. 1992.
Podcasts
- T. Henn: Partikelströmungen, Gespräch mit G. Thäter im Modellansatz Podcast, Folge 115, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016.
- S. Höllbacher: Finite Volumen, Gespräch mit G. Thäter im Modellansatz Podcast, Folge 122, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2017.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.