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Binet

Treitz-Rätsel

Eine Lucas-Folge ("verallgemeinerte Fibonacci-Folge") ist eine Folge mit der Rekursions-Bedingung \[a_n=a_{n-1}+a_{n-2}\; ;\] die eigentliche Fibonacci-Folge \(f_n\) hat speziell die Startwerte \(f_0=a_0=0\) und \(f_1=a_1=1\). Sie hat also nur ganzzahlige Glieder (was für eine allgemeine Fibonacci-Folge nicht zutreffen muss).

Zeigen Sie bitte, dass die Folge \[b_n= {g^n-h^n \over \sqrt5} \] mit \(g = (1 + \sqrt{5})/2\) und \(h = (1 – \sqrt{5})/2\) mit der Fibonacci-Folge übereinstimmt und daher ebenfalls nur aus ganzen Zahlen besteht. Es handelt sich um die von Jacques Philippe Marie Binet (1786–1856) entdeckte (und einigen anderern Mathematikern schon vorher bekannte) explizite Darstellung, mit der man zum Beispiel das hundertste Glied der Folge berechnen kann, ohne sich mit der Rekursionsformel durch die 99 Vorgänger durcharbeiten zu müssen.

Warum konvergiert die Quotientenfolge \(f_{n+1}/f_n\) für \(n \to \infty\) und für \(n \to -\infty\), und gegen welche Werte?

Wir lassen alle ganzen Zahlen (auch negative) als Indizes \(n\) der Folgenglieder zu, das ist zwar nicht üblich, fasst aber jeweils zwei Folgen sehr übersichtlich zusammen.

Wir benutzen zunächst nur, dass \(g \gt 1\) und \(h \lt 1\) sind: Die Folge \(G_n=g^n\) ist eine geometrische Folge und konvergiert sozusagen rückwärts für \( n \to -\infty\) gegen 0. \(H_n=h^n\) ist ebenfalls eine geometrische Folge und konvergiert für \(n \to \infty\) gegen 0.

Nun beachten wir die Definitionen von \(g\) und \(h\) (die bekanntlich die beiden Möglichkeiten des "goldenen Schnitts" sind): Wie man leicht nachrechnet, ist \(g^2=1+g\), ebenso \(h^2=1+h\). Daraus folgt, dass \(G_n\) und \(H_n\) nicht nur geometrische, sondern auch Lucas-Folgen sind.

Wie leicht einzusehen ist, überträgt sich die Eigenschaft, Lucas-Folge zu sein, auch auf die Folgen \(G_n-H_n\) und \(b_n=(G_n-H_n)/\sqrt5 \), die selbst aber keineswegs geometrische Folgen sind.

Da \(1 – 1 = 0\) und \(g – h = \sqrt{5}\) gilt, hat die Lucas-Folge \(b_n\) die gleichen (zwei) Startwerte 0 und 1 wie die Fibonacci-Folge \(f_n\), ist also mit ihr identisch und besteht trotz der vielen Wurzeln aus 5 in ihrer expliziten Formulierung nur aus ganzen (darunter für negative \(n\) auch negativen) Zahlen.

Für große Beträge von \(n\) verschwindet entweder \(g^n\) (bei negativen \(n\)) oder \(h^n\) (bei positiven \(n\)). Daher konvergiert die Quotientenfolge \(f_{n+1}/f_n\) für \(n \to \infty\) gegen \(g\) und für \(n \to -\infty\) gegen \(h = -1/g\). Die Fibonacci-Folge \(f_n\) selbst alterniert für negative \(n\).

In der Literatur werden manchmal die Indizes um 1 versetzt gewählt, um nicht mit 0 anzufangen. So hält es auch Alfréd Rényi in seinem "Tagebuch über die Informationstheorie" in den sonst sehr schönen "Variationen über ein Thema von Fibonacci" (die in der Tat auch auf Musik anspielen). Die Symmetrie der Sache wird dabei aber unnötigerweise verschleiert, und die Binet-Formel sieht komplizierter aus als nötig.

Die Bezeichnung "Lucas-Folge" (im engeren Sinne) betrifft den Spezialfall mit \(a_1=1\) und \(a_2=3\) (statt 2 wie bei Fibonacci), der eigentlich nicht spannender ist als jeder andere Spezialfall.

Beachten Sie in der folgenden Tabelle, wie sich die Nachkommastellen bei der Differenzbildung (2. minus 3. Spalte wird 4. Spalte) wegheben und wie in der letzten Spalte die Quotienten oben und unten konvergieren.

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