Conways Game of Life
Auf einem hinreichend großen Schachbrett werden zum Start einige Felder besetzt. Die weitere Entwicklung (in einem besonders umfassenden Sinn des Wortes!) geht dann streng nach der Regel: Ein besetztes Feld bleibt besetzt ("am Leben"), wenn 2 oder 3 seiner 8 Nachbarfelder besetzt sind, ein leeres verwandelt sich in ein besetztes ("wird geboren"), wenn 3 dieser 8 Nachbarn besetzt sind. Ist dabei auch die Vergangenheit eindeutig? Welche Möglichkeiten bestehen für die Zukunft einer Start-Konfiguration? Nehmen Sie als ein Beispiel diese:
Das schreit danach, dass Sie ein Computerprogramm schreiben (oder eins aus dem Internet anwenden)! Notfalls geht es aber auch mit kariertem Papier, Bleistift und viel Geduld.
Nach 4 Generationen hat dieses "Raumschiff" wieder seine alte Gestalt, ist aber um 2 Kästchen nach rechts gewandert. Zwischendurch taucht es um einen Schritt nach rechts gewandert und um die waagerechte Achse gespiegelt auf.
>Diese Periodizität mit Wanderung ist eins der raffiniertesten Schicksale, die eine Figur haben kann. Wesentlich einfacher ist ein periodisches Bild ohne Wanderung, die Periode kann 2 sein (Blinker) oder sogar 1, d. h. das Bild friert ein. Nicht selten ist das einfrierende Bild sogar leer, d. h. die Start-Felder sterben einfach aus. Daraus ist schon klar, dass die Vergangenheit eines jeden Bildes mehrdeutig ist, denn sehr viele verschiedene Startbilder enden mit Aussterben (oder auch mit einfachen Blinkbildern).Viel erstaunlicher ist dagegen, dass ein ziemlich einfaches Startbild überhaupt nicht aufhört, immer komplizierter und größer zu werden. Dass dieses wirklich unbegrenzt geht, sieht man daran, dass es "Kanonen" gibt, die Projektile ausstoßen, die immer weiter weg wandern.
Dieses einfache Pentomino sieht nach 128 Generationen immerhin schon so aus
:Damit berührt das so harmlos aussehende Spiel philosophische Fragen von größter Tragweite: Wie kann eine Startbedingung (Startbild + Regeln) sogar ohne Zufallseinwirkung zu unbegrenzter Komplexität evolvieren? In der modernen Naturphilosophie wird als "Emergenz" bezeichnet, dass (falls es so ist) aus so anscheinend einfachen Teilchen wie Elektronen und so einfachen Regeln wie denen des Baus der Atom- und Molekül-Hüllen die Vielfalt der Natur, insbesondere der belebten, "auftaucht". Haben die Elektronen (etc.) verborgene Programme bei sich, die nur unter lebensfreundlichen Bedingungen zum Zuge kommen, oder muss da eine "Fulguration" (ein Blitz wie von einem Deus ex Machina, also dem aus dramaturgischer Verlegenheit in ein Theaterstück eingeführten allmächtigen Gott) das Rätsel lösen? Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden mit solchen Argumenten ganze Gottesbeweise in der Schule geführt. Das Game of Life hat aber keine geheimnisvolleren Zutaten als Startpositionen und Regeln mit einfachen ganzen Zahlen. Wo soll da etwas emergieren oder wo soll der Blitz einschlagen?
Gerade darum ist es so überaus erstaunlich!
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