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Der sparsame Wägesatz von Bachet

Treitz-Rätsel

Ein Apothekergehilfe soll mit einer Balkenwaage mit einer Nullmarke für den Zeiger, aber ohne Skala ein Pulver in beliebig vorher festgelegten Mengen von n Gramm abwiegen, wobei n eine ganze Zahl von 0 bis 40 sein darf. Dazu fertigt er sich (mit einer anderen Waage, die dazu geeignet ist und die er sich vorübergehend ausleiht) einen Wägesatz aus nur 4 Stücken an.

Wie macht er das?

Wenn man die Gewichte nur auf einer Seite auflegt, gibt es eine ziemlich einfache Lösung. Wir suchen aber (auch) die noch raffiniertere. Es dürfen auch beide Waagschalen genutzt werden.

Die erste Idee ist ein binärer Wägesatz: Stücke mit 1, 2, 4, 8, 16 … Gramm, also Zweierpotenzen. So wie man jede natürliche Zahl in der Basis 2 nur mit den Ziffern 0 und 1 darstellen kann, erreicht man jede Grammzahl. Dies macht man, indem man für eine Ziffer 1 das entsprechende Gewicht auflegt und für Ziffer 0 eben nicht. Beispiel: Die binäre "10" macht \[ 1 \cdot 2 + 0 \cdot 1 = 2 \] im Zehnersystem.

Aber man würde 6 Teile benötigen: 1, 2, 4, 8, 16, 32, um bis 40 Gramm zu kommen. Das wusste Niccolò Tartaglia schon 1556; es kommt auch in der Rätselsammlung von Bachet (Claude Gaspard Bachet de Méziriac) in einer ersten einfachen Lösung vor.

Der entscheidende Trick ist aber nun, dass man die einzelnen Stücke nicht nur rechts oder gar nicht, sondern links, rechts oder gar nicht auflegen darf.

Greifen wir uns in Gedanken eins der Wägestücke heraus. Indem wir es links, rechts oder gar nicht auflegen, können wir auf Grund seiner Existenz drei verschiedene Gewichte unterscheiden, während alle anderen Stücke unverändert liegen. Das nächstgrößere Gewicht darf also dreimal so schwer sein.

Da wir auf einzelne Gramm genau sein sollen, nehmen wir als kleinstes Stück 1 g, die anderen sind dann jeweils um den Faktor 3 schwerer. Die Abstufung entspricht dann den Potenzen von 3, und wir brauchen nur 1, 3, 9, und 27, um bis 40 zu kommen.

Gewichte im ternären Wägesystem | Genau hier ist Schluss bei 4 Stücken (links geht es auch bis –40 weiter, es ist hier nur bis –3 aufgeschrieben).

Als jemand auch noch 80 Gramm kaufen wollte, machte der Gehilfe ein 40-Gramm-Stück an einem Waagebalken fest und konnte nun alles von 0 bis 80 g abwiegen und musste dazu nur die 4 Stücke bewegen, aber man kann natürlich darüber streiten, ob das 40-Gramm-Stück nicht mitgezählt werden muss.

Erweitern wir das Ganze: Nimmt man die Buchstaben M (Minus), O (Null) und P (Plus) als drei Ziffern für –1, 0 und +1 und wendet sie auf die Potenzen von 3 so an, wie wir im Dezimalsystem die Ziffern 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 auf die Potenzen von 10 (also 1, 10, 100, 1000 usw.) anwenden, bekommt man ein Ziffernsystem, bei dem die negativen Zahlen besonders symmetrisch eingebaut sind. D. h. Vorzeichenumkehr bekommen wir durch Vertauschen von M und P. Im Binärsystem geht das nicht so leicht. Dort muss man für ein Minus die Zahl um eine Einheit versetzen. Ein kleines Beispiel: Wenn man mit einem dezimalen Zählwerk rückwarts über die 0 hinweg zählt, so tauchen nach 00000001 und 00000000 plötzlich lauter Neunen auf: 99999999. Beim binären Zählwerk wird die –1 als 11111111 (evtl. mit noch mehr Einsen vorne) verschlüsselt, ziffernweise ist sie aber nicht die Umkehrung von +1, sondern die von 0. Bei der symmetrisch-ternären Kodierung kann man von –4 bis +4 so zählen:

MM
MO
MP
M
O
P
PM
PO
PP
–4
–3
–2
–1
0
1
2
3
4

Mit diesen Zahlen kann man auch rechnen ohne die sonst nötigen Fallunterscheidungen nach Vorzeichen. Es fallen ausgesprochen selten Überträge an, weil sich P und M beim Addieren ausgleichen. Multiplikation mit M bedeutet Vertauschen aller P in M und umgekehrt. Man muss nur in Gedanken M als "minus eins" und P als "plus eins" lesen.

Zusatzfrage: Zwischen welchen Wägeergebnissen kann man mit n geeigneten Gewichten wählen?

2. Antwort

Wenn man nur auf einer Seite auflegt, erreicht man mit n Gewichten, die den Potenzen von 2 entsprechen, 2n Möglichkeiten, nämlich von 0 bis 2n – 1 Einheiten.

Wenn man aber auf beiden Seiten auflegen darf und die Waagschalen auf die optimale Weise verschieden schwer macht, erreicht man 3n Möglichkeiten von 0 bis 3n – 1 Einheiten. Dazu muss eine Waagschale um (3n – 1)/2 Einheiten schwerer sein als die andere.

Sind die Waagschalen aber gleich, so gibt es nur die (3n + 1)/2 Möglichkeiten von 0 bis (3n – 1)/2 Einheiten.

  • Quellen

Die Lösung für 0 bis 40 stammt von Claude Gaspar Bachet Sieur de Méziriac 1624, zitiert in

W. W. Rouse Ball: Mathematical Recreations and Essays. Revised by H. S. M. Coxeter. 10. Auflage, Macmillan 1963

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