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Die unendliche Trompete

Treitz-Rätsel

Wenn eine Trompete nicht aufgewickelt wäre, so wäre sie ziemlich lang. Wir stellen uns eine unendlich lange gerade (Quasi-)Trompete vor, deren Längsschnitt von zwei Hyperbeln gebildet wird. Denken Sie sich die Kurve \(y = a^2/x\) um die x-Achse rotierend, und zwar das "Stück" von \(x = a\) bis \(\infty\). Das Ding ist also sozusagen zu einer Seite hin unendlich lang, wie immer man sich das vorzustellen hat. Zum Ausgleich ist aber die Wandstärke "unendlich dünn", sozusagen null.

Nun soll diese Trompete von außen lackiert werden. Der Mathematiker, der um die Berechnung der Lackmenge gebeten wird, stellt fest, dass die Oberfläche unendlich groß ist und dass man daher unendlich viel Lack benötigt.

Der Besitzer fragt nun, ob man da nichts machen könne, vielleicht die Lackschicht dünner, aber der Mathematiker sagt: die Fläche bleibt unendlich. Aber dann fällt ihm etwas ein: Man soll die Trompete mit der (unendlich weit entfernten!) Spitze nach unten drehen (wie auch immer!) und dann mit Lack voll gießen (das geht dann ganz leicht). Dann kommt man mit endlich viel Lack (sogar mit erstaunlich wenig) aus, denn das Volumen ist nur endlich.

Unabhängig davon, ob Sie die ("uneigentlichen") Integrale nachrechnen können, geht an Sie die Frage: Wie kann ein und derselbe Gegenstand ein endliches Volumen und eine unendlich große Oberfläche haben? Wäre es anders herum leichter vorstellbar? Was hat das mit der Menge an Lack zu tun?

Rein formal kann man Flächeninhalte so wenig mit Volumeninhalten vergleichen wie Geschwindigkeiten mit Temperaturen, aber die teilweise konkrete Fragestellung (trotz des surrealistischen Objekts) nach der Lackmenge legt einen Zusammenhang nahe.

Die Menge Lack (in Litern oder in kg), die man für eine bestimmte Fläche benötigt, hängt natürlich von der Schichtdicke ab. Sie soll natürlich überall gleich sein. Ist sie 0, braucht man gar keinen Lack, bei jeder anderen (noch so kleinen!) Dicke braucht man aber für eine unendliche Fläche auch eine unendliche Menge Lack. Auf diese Weise ist die Fläche dann doch mit einem Volumen verknüpft.

Aber nun noch einmal ganz anschaulich: Beim Vollgießen ist das Innere gefüllt, beim Anstreichen von außen aber nicht. Wieso braucht man dann zum Vollgießen weniger (eine endliche Menge ist immer kleiner als eine unendliche!)? Die außen aufgetragene Lackschicht (so dünn sie auch sein mag), macht bei der unendlichen Länge einfach mehr aus als das Innenvolumen. Der Schwanz der unbemalten Trompete nähert sich im Unendlichen immer weiter dem Durchmesser 0, der lackierte Schwanz unterschreitet aber nirgends die doppelte Schichtdicke als Durchmesser, und es ist dann klar, dass ein unendlich langer Schwanz mit irgend einer Mindestdicke ein unendliches (Lack-)Volumen hat.

Übrigens ist das Volumen der Trompete nur \(\pi a^3\) (wie bei dem Zylinder links unten im Bild).

Um dem Problem mit dem unendlich langen Schwanz der Trompete (bei der richtigen wäre in endlicher Entfernung ein Mundstück!) zu entgehen, kann man auch auf die Idee kommen, sie aufzuwickeln, wie man es ja sogar mit Blasinstrumenten endlicher Länge macht (wo es weit weniger dringend wäre). Es zeigt sich aber ganz analog zu unseren Rechnungen oder Überlegungen mit dem Lack, dass der Platz zum Aufwickeln zu einer ebenen Spirale nicht reicht (denn wenn die Oberfläche unendlich ist, ist es die Längsschnitt-Fläche auch!), wohl aber zum Aufwickeln in eine annähend kegelförmige Schneckenfigur von durchaus handlichem Volumen (es leuchtet ein, dass man ein endliches Volumen in ein endlich großes Gefäß hineinsetzen kann).

Dass eine unendlich große Oberfläche ein endliches Volumen einsperrt, geht auch bei Objekten mit endlichen Längenabmessungen, die Oberfläche ist dann unendlich fein gekräuselt, und man hat es mit einem Fraktal zu tun.

Solche (aber nur endlich feinen) Kräuselungen bewirken auch bei realen Objekten sehr große Oberflächen bei maßvollen Rauminhalten. So liegen in unserem Hirn Teile, die besonders wichtig für Intelligenzleistungen sind, in der Rinde, und die ist bei Hominiden und bei Delphinen besonders stark gekräuselt und hat daher eine große Fläche. Bei geistig schlichteren Tieren ist die Hirnoberfläche wesentlich glatter.

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