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O-Saft

Treitz-Rätsel

Gaby bringt zum Schulfest eine größere Menge O-Saft (also Orangen-Saft) mit und macht die beachtliche Ankündigung: Der erste Gast bekommt ein ganzes Glas, und jeder weitere bekommt 1 % weniger als ein Vorgänger. Wie viel Saft muss sie mitbringen, wenn 100 Gäste kommen, wie viel, wenn es 1000 oder gar 10000 sind? Ist es vorstellbar, dass sie mit einer endlichen Menge unendlich viele Gäste im Sinne der Ankündigung beschenken kann?

Können Sie die Fragen mit einer grafischen Beweismethode beantworten?

Setzen Sie Quadrate der Seitenlänge \(k^n\) mit \(k\) zwischen 0 und 1 und \(n\) von 0 bis \(\infty\) (soweit Sie das in endlicher Zeit andeuten können) nebeneinander ohne Zwischenräume auf eine gemeinsame Grundlinie.

Der Rest rechts unten hängt wie ein Glied der geometrischen Folge von \(k\) und \(n\) ab. Für die Summe der ersten \(n\) Glieder der geometrischen Folge \(a_m=k^m\) gilt \[s_n=\sum_{m=0}^n k^m = {1-k^{n+1} \over 1-k} \] und für deren Grenzwert \[s_\infty= {1 \over 1-k} \;.\]

Im Bild ist \(k\)=0,7. Für \(k\)=0,99 wie beim Schulfest kommt heraus, dass man mit 100 Glasfüllungen unendlich viele Gäste beliefern kann – schwer zu glauben, aber leicht zu beweisen, indem man Verhältnisgleichungen auf die einander ähnlichen Dreiecke in der Zeichnung anwendet.

Das Bild liefert also nicht nur den Beweis für die Konvergenz der geometrischen Reihe für \(0 \le k < 1\), sondern auch die Formeln für ihren (Grenz-)Wert, ihre Teilsummen und die Restglieder, allerdings nicht für negative Quotienten \(-1 < k < 0\), für die die Reihe ebenfalls konvergiert.

Die geometrische Reihe ist die Folge der Teilsummen einer geometrischen Folge, als ihr Wert wird ihr Grenzwert bezeichnet, falls vorhanden. Ein (inneres) Glied einer geometrischen Folge ist das geometrische Mittel aus seinen beiden Nachbarn.

Übrigens lassen 100 Gäste, die ja den Vorrat genau austrinken würden, wenn jeder ein volles Glas bekäme, bei der 99-Prozent-Regelung etwa 37 % übrig, und 200 immerhin noch 37 % von 37 %, also über 13 %. Je hundert weitere Gäste dritteln den verbleibenden Rest also ungefähr nur.

In dem Grenzfall \(n \to \infty \) für die Gästezahl \(n\) und dazu passend gewähltem \(k = 1-1/n\) strebt der verbleibende Rest nämlich gegen exp(–1) = 0,36788, und wenn man wieder \(k=1-1/n\) setzt, aber für \(2n\) Gäste rechnet, gegen das Quadrat von exp(–1) ... Und ob man in der Formel \((1-1/n)^n\) nun \(n=100\) oder \(n=\infty\) nimmt, macht keinen großen Unterschied.

Bei höheren vierstelligen Gästezahlen wird es allerdings schwierig für Gaby, wie eine Leserin namens Laura bemerkt. Ein Glas Wasser enthält ungefähr 1025 Moleküle. Nehmen wir zur Vereinfachung an, Gaby würde nur reines Wasser ausschenken, dann würde der 5270. Gast mit 100 Molekülen abgespeist, und spätestens dann nehmen die Rundefehler überhand. Da die meisten Moleküle, die dem Orangensaft seinen Reiz geben, mehr Masse haben als das Wassermolekül, treten diese Probleme bereits früher auf. Bereits der tausendste Gast wird Schwierigkeiten haben, seinen 8 Kubikmillimetern noch Geschmack abzugewinnen.

  • Quellen
Nelson gibt als Quelle J. H. Webb an: Math. Mag. 60.3, June 1987, p. 177.

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