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Schläflis Doppelsechs

Treitz-Rätsel
Es gibt 12 Geraden im Raum, je 6 von einer Farbe. Jede schneidet fünf der anderen Farbe und ist rechtwinklig, aber windschief zu der sechsten dieser anderen Farbe, aber keine schneidet eine ihrer eigenen Farbe (rechtwinklig und windschief sind zum Beispiel solche Kanten eines Würfels, die weder parallel zu einander sind noch eine Ecke gemeinsam haben). Man kann sie so wählen, dass sie die Symmetrie des regulären Tetraeders haben. Wie geht das?
Die 12 äußeren der 30 Schnittpunkte liegen auf den Kanten eines regulären Tetraeders, und zwar jeweils 1/4 der Kantenlänge von den Ecken entfernt. Die gesuchten Geraden sind die Verbindungen zwischen ihnen, die weder in den Flächen des Tetraeders liegen noch durch seinen Mittelpunkt gehen.

1. Antwort

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
(Hier und im Folgenden ist das erste Video eines Paares zum Betrachten mit der Rot-Grün-Brille, das zweite zum Parallel- oder Überkreuz-Schielen: Betrachten Sie mit dem linken/rechten Auge nur das mit L/R gekennzeichnete Teilbild!) Tatsächlich schneidet jede blaue Gerade in fünf (äquidistanten!) Punkte je eine rote, und sie ist rechtwinklig zu der verbleibenden roten, ebenso ist es umgekehrt. Die 12 gelben Punkte sind die im Tipp genannten äußersten. Die 6 innersten, hier roten Punkte bilden die Ecken eines regulären Oktaeders.
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
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Die Symmetrie der ganzen Figur ist die des regulären Tetraeders: 4 dreizählige Achsen und 3 zweizählige bewahren auch die Farben unserer Geraden, die 6 Spiegelebenen kehren dagegen die Farben um.
Was für Figuren gibt es, wenn man die Geraden nur an den äußersten Punkten miteinander verknotet und ansonsten als lose betrachtet?

2. Antwort

Die Figur gliedert sich (oder zerfällt) in drei räumliche Vierecke, die zu einander deckungsgleich sind.

Ergänzt man sie durch ihre Diagonalen, die für jedes einzelne rechtwinklig zu einander sind, so bekommt man drei rechtwinklige Tetraeder:
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
Muss man überhaupt 1/4 der Tetraederkanten nehmen?

3. Antwort

Nein:
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
Beim Variieren des Eckenabstandes überstreichen unsere Geraden (je zu viert, 2 blaue und zwei rote) drei verschiedene hyperbolische Paraboloide, von denen jedes so aussieht und die sich im Mittelpunkt rechtwinklig durchdringen:
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
Das hyperbolische Paraboloid heißt so, weil es Hyperbeln und Parabeln als Schnittlinien hat, aber es ist (neben dem einteiligen Rotationshyperboloid) eine der beiden nicht abwickelbaren Regelflächen, gehört also zu den Flächen, durch deren sämtliche Punkte Geraden (jeweils zwei) laufen und die trotzdem nicht – im Gegensatz zum Kegel – abgewickelt werden kann. Ihre Bezeichnung "Sattelfläche" deutet auf die qualitative Übereinstimmung mit einem Reitsattel hin.

Hier sind (zur besseren Übersichtlichkeit) für einen Oktanten des Würfels, also einen der vier Zipfel des Tetraeders alle drei Paraboloide aus ihren Geraden erzeugt.
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz
Sie schließen in jedem dieser 4 Oktanten des Würfels genau ein Teilvolumen ein – die anderen vier bleiben leer.

In jeder der drei Flächen liegen 2 rote und zwei blaue von unseren 12 Geraden.

Es gibt auch eine (allerdings kompliziertere) Fläche, in der alle 12 Geraden mit der von Ludwig Schläfli genannten Bedingung (jede rote schneidet 5 blaue und jede blaue 5 rote) liegen, es ist die von Clebsch als Diagonalfläche bezeichnete algebraische Fläche. Fischer zeigt in den "Mathematischen Modellen" drei Fotos eines Gipsmodells. Auch Cundy und Rollett beschreiben die Doppelsechs in ihrem Kapitel über Drahtmodelle und berichten mehr über ihre Beziehung zu kubischen Flächen.

Zum Bauen empfehle ich statt der sonst üblichen Trinkhalme Stickgarn in einem Tetraederrahmen aus 6 Stäben eines Metallbaukastens, die an den Ecken mit etwas aufgebogenen Winkelstücken zusammengeschraubt werden.
  • Quellen
H. M. Cundy, A. P. Rollett: Mathematical Models. Third edition. Tarquin Publications, 1989
Gerd Fischer: Mathematische Modelle. Akademie-Verlag, Berlin 1986
Claus Michael Ringel: Die 27 Geraden

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