Straßen im Urwald
4 Städte im Urwald, die auf den Ecken eines Quadrates liegen, sollen durch Straßen verbunden werden, damit man von jeder Stadt in jede andere fahren kann, aber eigentlich nur in Notfällen. Umwege und Benzinkosten sollen völlig vernachlässigbar sein gegenüber den Kosten und dem ökologischen Schaden des Straßenbaus. Mathematisch gesagt: Es wird der kürzeste Graph gesucht, der die Ecken des Quadrates miteinander verbindet.
Vielleicht haben Sie auch an diese Lösungen (links oben noch einmal die Aufgabenskizze) gedacht:
Die 4 Quadratseiten sind nicht nötig, 3 tun es auch und sind zusammen kürzer.
Am besten, weil kürzesten ist bisher das X, links unten zu sehen. Geht es noch kürzer?
Diese beiden Lösungen zeigen das kürzeste Straßennetz, die Winkel an den Gabelungen sind allesamt 120o. Man kann das als ganz normale Extremwertaufgabe mit Analysis rechnen, man kann sich aber auch überlegen, dass bei diesen Winkeln jede kleine Verlagerung der Gabelungspunkte die Summe der Längen fast nicht ändert, jede etwas größere Verlagerung aber die Längensumme vergrößert.
Wieso aber haben die beiden Lösungen nicht die volle Symmetrie der Aufgabe?
Nun, jede einzelne der beiden Lösungen hat nicht die volle Symmetrie, wohl aber das Bild, in dem beide Lösungen übereinander gezeichnet sind (rechts unten).
Pierre Curie hatte zwar gemeint, dass zu einer symmetrischen Ausgangsposition (oder Problemstellung) auch Folgen bzw. Lösungen mit derselben Symmetrie grhören. Das trifft aber nicht für die einzelnen Lösungen zu, sondern nur für ihre Gesamtheit (Symmetrie-Brechung). Ein ganz triviales Beispiel ist ein umfallender Bleistift: Wenn Sie es genau machen, ist keine Richtung bevorzugt, aber er fällt trotzdem in jedem einzelnen Fall (im doppelten Sinn des Wortes) zu irgendeiner bestimmten Seite und bricht damit die Symmetrie. Bei vielen Wiederholungen kommen aber alle Richtungen an die Reihe.
Wenn Ihnen das Auffinden des kürzesten Straßennetzes zu schwierig vorkommt, können Sie auch eine Seifenlamelle mit der Lösung beauftragen, die hat zwar keine Intelligenz, schafft das aber sofort.
Bohren Sie durch zwei Acrylglasscheiben jeweils die 4 Löcher, bringen die beiden Scheiben auf einige Millimeter Abstand (überall gleich) und stecken Sie 4 Stifte (Stücke von Schweißdraht, Nägel, passend zu den Löchern) hindurch.
Dann tunken Sie das Ganze in eine Mischung aus Wasser und Flüssigseife, mit der man schöne Seifenblasen machen kann. Nach dem Herausziehen sehen Sie (zumindest manchmal) Lamellen zwischen den Stiften wie unser Straßennetz.
So findet die Seifenlamelle das Minimum: Feste oder flüssige Stoffe können Energie abgeben, wenn sich ihre Oberfläche zur Luft oder zu einem Vakuum verkleinert. Das wird plausibler, wenn man sich die Umkehrung überlegt: Um Moleküle aus ihrer Nachbarschaft zu reißen, muss man Energie hineinstecken. Beim Verdampfen geschieht das sozusagen vollständig, nämlich mit jedem Molekül und nach allen Seiten. Beim Vergrößern einer Oberfläche werden nur die Moleküle betroffen, die die neue Grenzfläche bilden, und auch sozusagen nur zu einer Seite hin.
Wenn sich nun die Oberfläche einer (durch Seife stablisierten) Wasserhaut verkleinern kann, so tut sie das und gibt Energie ab, die erst zu kleinen Schwingungen führt und dann als Reibungswärme abwandert.
Wird auf einem solchen Weg ein Minimum der Oberfläche erreicht, ändert sich nichts mehr (Stabilität), auch nicht, wenn an anderer Stelle ein vielleicht sogar tieferes Minimum erreichbar wäre. Die Methode findet also sozusagen "lokale" Minima.
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