Tödliche Logik im Kloster
In einem sehr strengen Kloster machen die Mönche und der Abt sich gegenseitig keine Mitteilungen, weder mündlich noch durch Zeichen oder Schrift. Es gibt keine Spiegel und keine andere Gelegenheit, sich im Spiegelbild zu sehen. Die Mönche und der Abt sehen sich alle genau an jedem Mittag, können fehlerfrei logisch denken und machen von dieser Fähigkeit auch stets Gebrauch. Am Mittag eines Tages macht der Abt doch eine Mitteilung, was auch weiterhin die absolute Ausnahme bleibt:
"Ein absolut vertrauenswürdiger Arzt hat uns heute morgen mitgeteilt, dass gestern abend eine Giftwolke über unser Kloster gezogen ist und einige von uns vergiftet hat. Wer krank ist, hat einen roten Fleck auf der Stirn, und wenn er genau weiß, dass er einen Fleck trägt, stirbt er noch am gleichen Tag."
Nach genau 21 Tagen sterben einige Mönche. Wie viele und warum gerade jetzt?
Was geschieht, wenn genau ein Mönch krank ist?
Falls genau ein Mönch krank ist, so ist er der einzige, der keinen roten Fleck sieht. Da er aber weiß, dass mindestens einer krank ist, muss er daraus folgern, dass er selbst es ist, und er stirbt an diesem Tag wegen dieser Kenntnis.
Wenn genau 2 krank sind, so sehen die beiden je einen roten Fleck und nehmen am ersten Tag an, es gäbe möglicherweise nur einen Kranken, sie selbst können also gesund sein. Wenn aber bis zum 2. Tag noch keiner gestorben ist, müssen es mehr als einer sein, und die beiden folgern, dass sie auch krank sind.
Wenn am n-ten Tag die Kranken nur n–1 rote Flecken sehen, merken sie, dass sie krank sind, und sterben an diesem Tag.
Die Aufgabe erinnert etwas an die unerwartete Hinrichtung (oder auch Klassenarbeit, was für manche Leute genauso schlimm zu sein scheint), hat aber im Gegensatz zu ihr nichts auch nur scheinbar Paradoxes an sich.
D. Wells bringt sie als Nr. 347 in seinen Puzzles, aber in der Version mit ungetreuen Ehefrauen, die von ihren Männern ermordet werden. Diese tun das genau dann, wenn sie (jeweils über ihre eigene Frau als Letzte) Gewissheit erhalten, weil der Wesir (es spielt im alten Orient) die Gesamtzahl der untreuen Frauen bekannt gegeben hat und weil jeder stets über die Eheverhältnisse genau aller anderen Bescheid weiß, wie das so üblich ist.
Aber was hat Mord aus Eifersucht mit Logik zu tun? Entweder liebt man die Frau, dann bringt man sie nicht um, oder man liebt sie nicht, warum soll man dann eifersüchtig sein? Aber das ist ein weites Feld, um den Autor von Effie Briest zu zitieren. Man kann übrigens darüber streiten, ob ein Rätsel, in dem untreue Frauen von ihren Männern ermordet werden, eher frauen- oder eher männer-feindlich ist. Eine Gesellschaft, in der es von Männern geradezu erwartet wurde, dass sie dann morden oder sich duellieren, war auf jeden Fall menschenfeindlich.
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