Tschebyschows Gelenke
Auf was für einer Linie läuft der Mittelpunkt der oberen Stange, wenn die untere festgehalten wird? Die Längen verhalten sich wie 4:5:2:5.
Betrachten Sie zunächst die Fälle, in denen eine der beiden langen Stangen rechtwinklig zur unteren ist, und diesen symmetrischen:
Für diese drei Punkte liegt also der Mittelpunkt der kurzen Stangen auf gleichem Abstand von der unteren. Ob das dazwischen auch so ist?
Das sieht eigentlich ganz gut aus: das mittlere Loch wandert auf einer (waagerechten) Gerade. Aber eine Gerade ist unendlich lang, unser Wanderweg kann aber nur endlich sein und muss irgendwo aufhören oder umkehren. Wie sieht eigentlich die andere symmetrische Position aus?
Ein voller Umlauf beschreibt eine Kurve, die (fast genau) wie der Umriss einer plankonvexen Linsen aussieht. Der russische Mathematiker Pafnuti Tschebyschow (1821–1894; oft fälschlich als Tschebyscheff transkribiert) hat diese näherungsweise Geradführung erfunden.
Von Karl Hoecken (1874–1962) stammt eine andere:
Die Längen sind auch hier ganz ähnlich: 2:4:(5+5):5. Testen Sie bitte die Spezialfälle mit waagerechten und senkrechten Stellungen der kurzen Stange.
Auch hier klappt es dreimal exakt, und vielleicht finden wir ja dazwischen eine vernünftige Geradführung? Wir sehen uns das gleich mal an. Kommt hier auch wieder ein Pferdefuß beim vollen Umlauf?
Auffällig ist der schnelle Rücklauf oben, obwohl die kurze Stange gleichmäßig rotiert. Aber die Form der Kurve sieht doch ziemlich genau so aus wie die von Tschebyschow, oder? Legen Sie doch einfach beide Bastelarbeiten auf einander!
Die pinkfarbene Stange hat oben keine Schraube, sondern beide Mechanismen sind unabhängig voneinander, sie werden hier aber sozusagen im Synchron-Paarlauf gezeigt.
Ich hatte Tschebyschows Erfindung zuerst in mehreren Büchern und Websites gefunden und bewusst zur Kenntnis genommen, erst etwas später (in Brian Bolts Buch über Bagger und Mathematik) das Gerät von Hoecken, das dort nur als Anregung zum Basteln auftritt. Nach dem Bauen mit dem Metallbaukasten war die Ähnlichkeit der Kurven unübersehbar, und bei der Kombination beider Modelle wurde mir dann klar, wie eng verwandt die Konstruktionen sind und dass sie zur gleichen Kurve führen müssen. Bei einem erneuten Blick in das reichhaltige Buch von Wunderlich über die ebene Kinematik stellte sich dann heraus, dass Hoeckens Lösung dort nur als Kurbelschwing-Variante von Tschebyschows Doppelschwing-Lösung erwähnt wird.
Zum Schluss kommt noch eine andere Variante von Tschebyschows näherungsweiser Geradführung:
Was geschieht mit der roten Stange?
Sie bleibt offenbar waagerecht – und zwar nicht nur näherungsweise, sondern exakt – und wandert dabei im unteren Bereich nahezu auf konstanter Höhe. So kann man also eine Schreibtischplatte für eine Tastatur ohne Gleitlager montieren, die auf gleicher Höhe verschoben werden soll.
Hier sind drei Aufnahmen eines ziemlich flachen Modells, von links nach rechts in drei Stellungen:
Und hier ist übereinander in zwei Stereobildern ein ausgesprochen dreidimensionaler Tschebyschow-Tisch in zwei Stellungen zu sehen:
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