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Widersinnige Drehung

Treitz-Rätsel

Eine der schönsten Sinnestäuschungen geht so: Man nimmt einen bestimmten Gegenstand in die Hand und dreht ihn ein bisschen hin und her, während man ihn mit nur einem Auge ansieht. Dabei sieht man die Drehung stets im umgekehrten Sinn zu dem, den man mit der Hand ausführt. Ein optimales Objekt dazu ist dieser Puppenkopf:

Auf dem obersten Bild scheint er bemalt zu sein, auf dem untersten nicht, aber was ist mit dem mittleren Bild?

Bei näherem Hinsehen ist der Puppenkopf hohl und auf der Innenseite sehr realistisch bemalt. Man kann ihn (manchmal) in Bastelgeschäften kaufen als Gießform zur Anfertigung von massiven Puppenköpfen. Zum Färben eignen sich wasserfeste Folienstifte, mit Spiritus und Watte kann man dann Feinheiten vornehmen.

Notfalls reicht schon eine Würfelecke (d. h. drei Würfelflächen mit gemeinsamer Ecke) aus Karton, auf die man innen ein Gesicht (mit der Nasenspitze in der Ecke) malen kann.

Bei der Betrachtung ist wichtig, dass man die Innenseite ansieht und dass kein beweglicher Schatten hineinfällt. Die Illusion ist frappierend!

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

Die Erklärung des Effektes beruht auf der Annahme in Ihrem Kopf, dass es keine Hohlköpfe gibt, jedenfalls keine, in die man (ohne Tomografie) hineinsehen kann.

Mit beiden Augen kann unser Gehirn ziemlich leicht den Hohlkopf als solchen erkennen und seine Drehungen richtig deuten. Mit nur einem Auge fehlt aber dazu – ganz wörtlich – die Basis, und das Gehirn macht das, was es immer macht: Es deutet die Daten so einfach und sinnvoll wie möglich. Da in der Natur Gesichter immer auf der Außenseite von Köpfen zu sehen sind, wird das Gesicht auf der Innenseite des Hohlkopfes als eins auf der Außenseite eines normalen Kopfes gedeutet. Wenn sich nun die Nase von der Mitte auf das (vom Betrachter aus gesehen) linke Ohr hin zu bewegen scheint, beruht das zwar in der Wirklichkeit auf der Drehung des Hohlkopfes im Gegenuhrzeigersinn (von oben gesehen), bei dem massiven Kopf gehört das aber zu der entgegengesetzten Drehung.

Wenn das Gehirn nicht wie ein Physiker, sondern wie ein Mathematiker dächte, müsste es bei jedem Netzhautbild alle denkbaren Deutungen gleichermaßen in Betracht ziehen, es spart aber eine Menge Zeit, indem es vor dem gewaltigen Erfahrungshintergrund (der persönlich erworben oder genetisch geliefert sein kann, im Sinne der evolutionären Erkenntnistheorie) nur das Wahrscheinliche annimmt. Falltüren und andere Tricks sind nur wirksam, wenn sie hinreichend selten sind, so dass man sich normalerweise darauf verlässt, dass ein sicher aussehender Boden auch fest ist.

© mit frdl. Gen. von Norbert Treitz

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