Hemmes mathematische Rätsel: Wie lange treibt die Weinflasche im Wasser?
1948 veröffentlichte der Berliner Physikprofessor Christian Gerthsen sein Werk »Physik: Ein Lehrbuch zum Gebrauch neben Vorlesungen«. Ab der 13. Auflage wurde jedes Kapitel um eine Reihe von Übungsaufgaben ergänzt. Dies sind jedoch nicht die typischen langweiligen Aufgaben, die man aus vielen Schulbüchern kennt, sondern reizvolle physikalische Denksportaufgaben. Das folgende Problem ist eine kleine Kostprobe.
Charon rudert mit seinem Nachen den Styx mit 3 km/h flussaufwärts. Unter der Hadesbrücke fällt ihm seine Weinflasche, ohne dass er es sieht, ins Wasser und treibt flussabwärts. Erst eine halbe Stunde später, als er einen Schluck trinken möchte, bemerkt er den Verlust. Charon wendet sofort seinen Nachen, rudert mit 7 km/h flussabwärts und holt auch tatsächlich nach einiger Zeit seine Flasche ein. Angenommen, der Styx hat eine Fließgeschwindigkeit von 2 km/h. Wie lange trieb dann die Weinflasche im Wasser?
Die Aufgabe lässt sich nur durch mühsame Rechnerei lösen, wenn man sich bei allen Geschwindigkeiten und Strecken auf das ruhende Flussufer bezieht. Sie wird jedoch ganz einfach, wenn man das Wasser als ruhend betrachtet und das Ufer als sich bewegend.
Die ins Wasser gefallene Flasche rührt sich dann nicht vom Fleck, da sie die gleiche Geschwindigkeit hat wie der Fluss. Um die Bootsgeschwindigkeiten relativ zum Wasser zu ermitteln, muss man flussaufwärts zur Bootsgeschwindigkeit relativ zum Ufer die Wassergeschwindigkeit hinzuzählen (3 km/h + 2 km/h = 5 km/h) und flussabwärts abziehen (7 km/h − 2 km/h = 5 km/h).
Das Boot hat also flussabwärts wie auch flussaufwärts relativ zum Wasser die gleiche Geschwindigkeit von 5 km/h. Da das Boot auf den Wegen von der ruhenden Flasche fort und zur ruhenden Flasche zurück die gleiche Geschwindigkeit hat und der erste Weg eine halbe Stunde dauert, muss auch der zweite Weg eine halbe Stunde dauern. Die Flasche treibt also genau eine Stunde lang im Wasser.
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