Windschiefe Zähne
Wie sieht ein Zahnrad aus, das ohne Änderung der Drehzahl eine Drehung zwischen zwei Achsen vermittelt, die windschief aneinander vorbeilaufen?
Wenn die Achsen parallel zueinander wären, könnte man an beliebigen Stellen Zahnräder (Stirnräder) einsetzen, deren Radien beide halb so groß sind wie der Abstand der Achsen. Man kann diese Zahnräder auch in axialer Richtung beliebig lang machen und die Zwischenräume ihrer Zähne als lange Nuten parallel zu den Achsen oder auch zu Wendeln gewickelt ausfertigen (was tatsächlich gemacht wird, um das Ruckeln der einzelnen Zähne zu vermeiden). Nun haben wir aber windschiefe Achsen, die zwischen sich eine Strecke als gemeinsames Lot und kleinsten Abstand ihrer Punkte haben.
Die gesuchten "Zahnräder" sind zwei gleiche Rotationshyperboloide.
Das Modell lässt sich erstaunlich bequem herstellen: Schrauben Sie zwei mal zwei Zahnräder aus dem "fischertechnik"-Baukasten sehr fest auf je eine Achse; legen Sie dann Schaschlikstäbe in die Zahnzwischenräume und fixieren Sie sie mit strammen Gummifäden. Setzen Sie schließlich mit dem Metallbaukasten beide Hyperboloide windschief in einen Rahmen. Die Bewegung ist erstaunlich reibungsarm!
Wie kann man nun einsehen, dass es Rotationshyperboloide sind?
Beweisidee
Bezeichnen wir das gemeinsame Lot (die "Binormale") der beiden windschiefen Geraden \(G_1\) und \(G_2\) mit \(L\) und seine Länge mit \(2c\). Rechtwinklig zu \(L\) konstruieren wir die Ebenen \(E_1\) und \(E_2\), so dass \(G_1\) in \(E_1\) liegt und \(G_2\) in \(E_2\). Auf halbem Weg zwischen beiden Ebenen gibt es eine weitere Ebene \(E_0\). In diese projizieren wir die beiden Geraden \(G_1\) und \(G_2\) parallel zum gemeinsamen Lot \(L\) und finden dort die Geraden \(G_1'\) und \(G_2'\) und zwischen ihnen einen Winkel, den man auch als Winkel zwischen \(G_1\) und \(G_2\) ansehen kann (er kann ein rechter sein, muss aber keineswegs). Die Winkelhalbierende \(G_0\) zwischen \(G_1'\) und \(G_2'\) (in der Ebene \(E_0\)) ist nun in gewisser Weise vermittelnd zwischen \(G_1\) und \(G_2\). Jeder Punkt von \(G_0\) hat gleiche Abstände von \(G_1\) und von \(G_2\), die aber für die einzelnen Punkte verschieden sind: am kleinsten für den Mittelpunkt, in dem sich \(L\) und \(G_0\) schneiden, nach beiden Seiten hin größer. Das Bild ist eine Projektion in Richtung von \(L\) und daher parallel zu den drei genannten Ebenen, es zeigt einen solchen Abstand perspektivisch verkürzt als \(e\). In Wirklichkeit ist dieser Abstand \(r = \sqrt{c^2 + e^2}\). \(e\) selbst ist aber proportional zu \(d\). Daher liegen die Punkte von \(G_0\) auf einem Rotationshyperboloid um die Achse \(G_1\) und gleichzeitig auf einem um die Achse \(G_2\). Im Grunde würden auch zwei Zahnräder von diesem Radius \(r\) genügen, aber das Elegante an der Sache ist ja gerade, dass sich die Belastung verteilen kann.
Wenn man Achsen hat, die sich kreuzen, so müssten sich die Zahnräder oder zumindest ihre Achsen durchdringen, wenn sie beiderseits des Schnittpunktes fortgesetzt sein oder zumindest gelagert werden sollen. Da das nicht geht, kann man dann nur Kegelräder nehmen, deren Spitzen vor dem Schnittpunkt aufhören und die auch nur auf der jeweils hinteren Seite gelagert sein können. Die Hyperboloidverzahnung erlaubt, dass jede Achse Lager auf beiden Seiten hat.
Dass es so etwas Schönes überhaupt gibt, habe ich – wie auch ein Foto dazu – in der wundervollen "Anschaulichen Geometrie" von Hilbert und Cohn-Vossen gefunden.
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