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Der letzte weiße Fleck

Vor rund einem Jahrhundert geht durch die zivilisierte Welt eine Welle der Begeisterung und der Trauer zugleich: Während der norwegische Forscher Roald Amundsen sich am 8. März 1912 der Eroberung des geografischen Südpols rühmt, kehren sein Kollege und Rivale Robert Falcon Scott und dessen Begleiter nicht von ihrer Reise zurück. Erst im Jahr darauf finden Mitglieder seiner Expedition die gefrorenen Leichen.

Der Wettlauf zwischen Amundsen und Scott und dessen tragischer Ausgang ist die wohl bekannteste Geschichte um den Südpol, die wissenschaftlichen Entdeckerdrang mit persönlichen Schicksalen verknüpft. In "77° Süd" ist sie eine unter vielen. Zusammen erzählen sie von der mühsamen und langwierigen Entdeckung und Erschließung des letzten unbekannten Kontinents, von den ersten Segelfahrten jenseits des südlichen Polarkreises durch James Cook 1773 bis zur 1956 gebauten und immer wieder erweiterten Amundsen-Scott-Südpolstation, die wenige hundert Meter vom Pol entfernt liegt. Die britische Publizistin Kari Herbert und ihr Ehemann, der Historiker Huw Lewis- Jones, wollten ein umfassendes Gesamtbild zeichnen, ohne sich auf die beiden Schwergewichte der Polarforschung festzulegen. Das ist ihnen gelungen. Das Buch ist eine Ode an all jene Männer und Frauen, die sich seit dem 18. Jahrhundert bis heute in die unwirtliche Eiswüste aufmachen, um zu erkunden, zu entdecken oder sich selbst zu finden.

Beeindruckend sind die zahlreichen historischen Bilder und die Fotografien von Herbert Ponting, der Scott auf seiner Terra-Nova-Expedition in den Jahren 1910 bis 1912 begleitete. Auflockernd wirken die zahlreichen Auszüge aus Augenzeugenberichten und Logbüchern, die den Leser direkt an den ersten Sichtungen der vergletscherten Küste oder den letzten Stunden von Scott und seinen Männern teilhaben lassen.

Dabei wird vor allem eines klar: Wer sich lange mit dem Südpol auseinandergesetzt hat, gerät leicht ins Schwärmen. Davon bleiben weder die Forscher noch die beiden Autoren verschont: Ihr lebhafter Schreibstil steht in erfrischendem Gegensatz zum sachlich-historischen Inhalt des Buchs. So färbt die Begeisterung der Autoren für ihr weißes Wunderland nach wenigen Seiten auf den Leser ab. Ihr Werk ist eher eine gut recherchierte Nacherzählung als die bloße Aufbereitung der harten Fakten. Wer sich nur diese aneignen will, ist anderweitig besser beraten. Allen anderen – auch jugendlichen  – Interessierten ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen.

  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 2/2013

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