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Dem Halbwissen ein Schnippchen schlagen

Ob Ehestreit, Mobbing in der Schule oder der Nutzen von Hirnjogging: Gerade wenn es um psychologische Themen geht, meinen viele Menschen mitreden zu können. Ihr Wissen schöpfen sie dabei oft aus der eigenen Erfahrung, aus Beobachtungen oder einer Wissenssendung im Fernsehen. Ein solch fundiertes Halbwissen kann durchaus in mancher Situation weiterhelfen. Doch wie stichhaltig sind gut gemeinte Ratschläge rund um Lernhilfen, Aggressionsabbau und Stressbewältigung wirklich?

Hans-Peter Nolting hinterfragt die so genannte Küchenpsychologie, er will ihre Irrtümer aufdecken und dem Leser stattdessen solides Fachwissen vermitteln. Zu den drei Themen Individuum, zwischenmenschliche Beziehungen sowie Bildung und Erziehung nimmt der Psychologe von der Universität Göttingen jeweils fünf alltagspsychologische Weisheiten unter die Lupe. Unterlassene Hilfeleistung beispielsweise spiegele nicht zwingend einen Wertewandel in der Gesellschaft wider, sondern erkläre sich viel eher durch Verantwortungsdiffusion. Außerdem lernen Leser, dass Kleinkinder keine Schäden davontragen werden, wenn die Eltern berufstätig sind. Und bessere Lernerfahrungen und Leistungen gelingen dem Nachwuchs auch nicht dank kleiner Schulklassen, sondern allenfalls durch das Tun eines talentierten Pädagogen.

Ausführlich und anhand zahlreicher Forschungsergebnisse erläutert der Autor, inwiefern die Volksweisheiten in die Irre führen und wie es tatsächlich um den fraglichen Sachverhalt bestellt ist. Damit bietet er nicht nur eine interessante Lektüre für Laien, sondern auch für vorgebildete Leser.

Zu wenig Neues

Bevor sich Nolting jedoch diesen Fragen widmet, schildert er zunächst eingehend die psychologischen Grundlagen auf mehr als 100 Seiten – darunter zu wenig Neues und allzu langatmig für Leute vom Fach. Viele Studien und Beispiele entspringen zudem häufig dem Schulalltag und der Kindererziehung – oft auch dann, wenn es im betreffenden Kapitel gar nicht zwangsläufig um Entwicklungsfragen geht. An mancher Stelle wünscht man sich deshalb mehr Beispiele aus der Lebenswelt der Erwachsenen, denn nicht nur Kinder leiden unter Konzentrationsproblemen oder Mobbing.

Die einzelnen Kapitel kann man unabhängig voneinander lesen, und da es sich nicht immer um leicht verdaulichen Lesestoff handelt, werden gerade Laien eine Pause zwischen den Kapiteln auch brauchen. Wer seine psychologische Allgemeinbildung auf Vordermann bringen will, liegt mit diesem Buch trotzdem richtig.

  • Quellen
Gehirn & Geist 9/2012

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