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Majestäten zur Luft

Steinadler, Seeadler, Fisch- und Schreiadler – das sind Deutschlands vier Adlerarten. Gelegentlich verirrt sich auch ein Schell- oder Schlangenadler auf dem Zug oder Umherstreifen in die Bundesrepublik. Aber mehr Arten hat die Bundesrepublik leider nicht zu bieten. Und das ist sehr schade, wenn man die grandiosen Bilder im Buch "Adler" von Einhard Bezzel, dem Autor, und den beiden Fotografen Dietmar Nill und Torsten Pröhl betrachtet. Mit großformatigen Aufnahmen, oft ganz- oder doppelseitig, bieten sie exzellente Einblicke in das Leben dieser majestätischen Vögel, die zu Recht häufig zum Wappentier erkoren wurden: Man sieht Fischadler auf ihrem Nest über menschenleeren Wäldern Ostdeutschlands thronen, Habichtsadler beim Balzflug vor marokkanischen Klippen oder See- und Riesenseeadler einträchtig auf dem Eis Kamtschatkas nebeneinander sitzen. Andere Bilder zeigen wie eine kleine Weihe einen mächtigen Seeadler attackiert oder Schreiadler zu Fuß ihre Beute jagen.

Allein die Bilder machen das Buch wertvoll für Naturfreunde, doch hat das Werk mit Einhard Bezzel auch einen renommierten Naturschützer als Autor, der bereits zahlreiche Werke verfasst hat und weit über die Ornithologenszene hinaus bekannt ist. In insgesamt sieben Kapiteln liefert er eine fundierte Übersicht über die Biologie dieser Greifvögel, ihre Gefährdung und ihren Schutz sowie das Zusammenleben und ihre Bedeutung für den Menschen. Vielen "Laien" dürfte wohl nicht bekannt sein, dass nicht wenige Arten beispielsweise Zugvögel sind und Europa im Winter nach Afrika verlassen – unser einheimischer Schreiadler etwa. Auch die Brutbiologie offeriert immer wieder Überraschungen, wofür ebenfalls der Schreiadler steht: Bei ihm herrscht Kainismus, das heißt, das erstgeborene Küken tötet sein jüngeres Geschwister nach dem Schlüpfen und entledigt sich damit eines Konkurrenten. Und im Gegensatz zu vielen anderen Arten übertrifft bei vielen Arten das Weibchen das Männchen an Größe.

Aus kulturellen Gründen sind die beiden Kapitel "Mit Adlern auf Augenhöhe" und "Im Zeichen des Adlers" interessant. Bis heute betreiben beispielsweise zentralasiatische Völker noch Beizjagd mit Steinadlern – ein Brauch, der in Mitteleuropa in früheren Zeiten ebenfalls verbreitet war (wenngleich die Jagd mit Falken geläufiger war). Immer noch gerne halten dagegen Falkner die mächtigen Adler, deren imposante Größe, der kräftige Schnabel oder die wuchtigen Krallen zahlreiche Zuschauer anlocken. Durchaus kritisch setzt sich Bezzel mit dieser Art der Greifvogelhaltung auseinander, die bei vielen Naturschützern keinen guten Ruf hat.

Traurig ist das Kapitel zu den "Adlern auf der Abschussliste", das die schon lange währende Jagd auf die edlen Vögel beschreibt. In früheren Zeiten waren sie bei Jägern und Landwirten als "Ungeziefer" verhasst: Wo man konnte erschlug, erschoss oder vergiftete man sie. Fürsten, Behörden oder Jagdverbände bezahlten Prämien für jeden Balg oder jeden Schnabel der abgeliefert wurde. Zu Zehntausenden wurden die Vögel getötet und anhand der beschriebenen Jagdstrecken wundert man sich, warum die Tiere überhaupt überleben konnten und nicht nur regional ausstarben. Noch heute gibt es Fehlgeleitete, die mit Falle, Gewehr und Gift den Greifvögeln nachstellen, nicht nur versehentlich, weil man ja "eigentlich" Füchse oder andere Arten erwischen wollte, sondern ganz gezielt – und das nicht nur auf dem Balkan oder in Spanien, sondern mitten in Deutschland. Andere Adler fallen Bleivergiftungen durch die gängige Jagdmunition zum Opfer, die sie in Form von Bleischrot mit Aas oder ursprünglich nur verwundeter Beute zu sich nehmen.

Immerhin: So gut wie derzeit ging es zumindest Deutschlands Adlern schon lange nicht mehr – auch das beschreibt das Buch: Fisch- und Seeadler haben sich in den letzten Jahrzehnten dank intensiver Schutzmaßnahmen, Jagdverbote und reduziertem Gifteinsatz in der Landwirtschaft wieder gut erholt und breiten sich von Nordostdeutschland – lange das letzte Refugium hierzulande – wieder über die Republik aus. Auch der Steinadler hat wieder alle potenziellen Reviere in den Alpen besetzt, nur der Schreiadler bleibt das Sorgenkind der Vogelfreunde. Die schönste Entwicklung ist aber wohl, dass viele Menschen mittlerweile die prächtigen Vögel schätzen und jedes Jahr Tausende Exkursionen zu Brutplätzen besuchen, um selbst einen Blick auf die Könige der Lüfte zu werfen. Aufgelockert werden die einzelnen Kapitel zudem durch persönliche Erlebnisberichte der drei Beteiligten, die teilweise recht amüsant sind – etwa jene Anekdote von Bezzel, der zu seinem Leidwesen einmal in einem großartigen Artikel eines bedeutenden Nachrichtenmagazins über den Seeadler ein Aufmacherbild vorfand, das so gar nicht dahin passte: Es zeigte einen amerikanischen Weißkopfseeadler, dessen heller Kopf dem Bildredakteur wohl besser gefiel als der schlichte braune der einheimischen Art.

Wer sich deshalb einen ersten Überblick über die verschiedenen Arten Europas und angrenzender Gebiete machen möchte, kommt ein letztes Mal im abschließenden Teil auf seine Kosten: Alle hiesigen Adlerspezies werden hier noch einmal im Detail vorgestellt und gezeigt. Wie die ähnlich aufgemachten Büchern des BLV-Verlags zu "Eulen" und "Falken" gehört auch "Adler" ins das Bücherregal von Naturfreunden. Es ist ohne Einschränkungen empfehlenswert.

  • Quellen
Spektrum.de

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