Heilender Hemisphärenwechsel
Von Haus aus war Sigmund Freud Neuroanatom. Zur Psychologie fand er nur, weil die Hirnforschung seiner Zeit noch keine Methoden kannte, die es erlaubt hätten, Gefühle und Träume zu untersuchen. Trotzdem war sich der Begründer der Psychoanalyse sicher, dass es eines Tages möglich sein würde, auch seelische Regungen neurophysiologisch zu erforschen. Zu seinem 150. Geburtstag im vergangenen Jahr gaben ihm etliche Laudatoren vom Grundsatz her Recht.
Mittlerweile glauben einige Wissenschaftler, dass sich Psychoanalyse und Neurologie gegenseitig befruchten, und haben dafür den Begriff der Neuropsychoanalyse eingeführt. Allan Schore, Psychoanalytiker und Professor für Psychiatrie an der University of California in Los Angeles, stellt in diesem Buch neue Befunde des Forschungsfelds dar, um daraus Erkenntnisse für die psychotherapeutische Arbeit zu gewinnen.
Den Psychoanalytiker treibt die Frage um, wie Patienten ihre Affekte – sei es Aufregung, Angst oder Verzweiflung – in den Griff bekommen und dabei ein gesundes Selbst entwickeln. Sein Augenmerk gilt dabei der rechten Gehirnhälfte, die das biologische Substrat des Unbewussten darstellt: Letztlich sei sie es, die "ein fortdauerndes und stimmiges Gefühl mit sich selbst" aufrechterhält und so darüber entscheidet, wie sich das Ich entwickelt. Schore rät davon ab, Probleme nur "sprechend und erkennend" – also linkshemisphärisch – zu bearbeiten. Stattdessen bevorzugt er ein nonverbales, körpersprachliches und emotionales Verarbeiten. Anders formuliert: Es ist nicht so wichtig, was der Patient in einer Therapie zu seinem Therapeuten sagt, sondern wie er es sagt.
Der Autor überträgt vieles, was heute über die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung bekannt ist, auf die Beziehung zwischen Therapeut und Klient: Während der ersten Lebensjahre stabilisiert und reguliert die Mutter die Gefühlslage des Kinds. So schlägt sich das mütterliche Verhalten in der Entwicklung des kindlichen Gehirns nieder und trägt dazu bei, dass der Nachwuchs ein Gefühl für sich selbst aufbaut.
Der Therapeut nimmt in Schores Modell eine ähnliche Position ein. Mit seinem Patienten lebt er eine ebensolche "vitale Beziehung". Er lässt Bindung zu, fördert sie und schwingt mit dem Patienten mit.
Das Gehirn reorganisiert sich
Der Therapeut schafft damit eine Situation, in der der Patient ihn annimmt wie das Kleinkind die Mutter. Gewissermaßen kopple sich die heilungsbedürftige rechte Hemisphäre des Patienten an die gesunde rechte Hirnhälfte des Therapeuten. Dadurch werde auch die Kommunikation zwischen beiden rechtshemisphärisch – emotional – gesteuert. Im Zuge dieses Heilungsprozesses reorganisiere sich das Gehirn, und der Patient lerne, mit seinen Affekten umzugehen.
Auch wenn Schores Ansatz nicht revolutionär ist: Die theoretische Verflechtung ist ungewöhnlich. Mit seiner Datenfülle und der komplexen thematischen Verschachtelung empfiehlt sich Schores Buch jedoch weder für den Strandkorb noch als Bettlektüre. Es wendet sich in erster Linie an Wissenschaftler und Therapeuten, doch selbst denen dürfte die sperrige Sprache ein gehöriges Maß an Konzentration abverlangen. Schade, denn das Buch hätte ein großes Publikum verdient.
Mittlerweile glauben einige Wissenschaftler, dass sich Psychoanalyse und Neurologie gegenseitig befruchten, und haben dafür den Begriff der Neuropsychoanalyse eingeführt. Allan Schore, Psychoanalytiker und Professor für Psychiatrie an der University of California in Los Angeles, stellt in diesem Buch neue Befunde des Forschungsfelds dar, um daraus Erkenntnisse für die psychotherapeutische Arbeit zu gewinnen.
Den Psychoanalytiker treibt die Frage um, wie Patienten ihre Affekte – sei es Aufregung, Angst oder Verzweiflung – in den Griff bekommen und dabei ein gesundes Selbst entwickeln. Sein Augenmerk gilt dabei der rechten Gehirnhälfte, die das biologische Substrat des Unbewussten darstellt: Letztlich sei sie es, die "ein fortdauerndes und stimmiges Gefühl mit sich selbst" aufrechterhält und so darüber entscheidet, wie sich das Ich entwickelt. Schore rät davon ab, Probleme nur "sprechend und erkennend" – also linkshemisphärisch – zu bearbeiten. Stattdessen bevorzugt er ein nonverbales, körpersprachliches und emotionales Verarbeiten. Anders formuliert: Es ist nicht so wichtig, was der Patient in einer Therapie zu seinem Therapeuten sagt, sondern wie er es sagt.
Der Autor überträgt vieles, was heute über die Entwicklung der Mutter-Kind-Beziehung bekannt ist, auf die Beziehung zwischen Therapeut und Klient: Während der ersten Lebensjahre stabilisiert und reguliert die Mutter die Gefühlslage des Kinds. So schlägt sich das mütterliche Verhalten in der Entwicklung des kindlichen Gehirns nieder und trägt dazu bei, dass der Nachwuchs ein Gefühl für sich selbst aufbaut.
Der Therapeut nimmt in Schores Modell eine ähnliche Position ein. Mit seinem Patienten lebt er eine ebensolche "vitale Beziehung". Er lässt Bindung zu, fördert sie und schwingt mit dem Patienten mit.
Das Gehirn reorganisiert sich
Der Therapeut schafft damit eine Situation, in der der Patient ihn annimmt wie das Kleinkind die Mutter. Gewissermaßen kopple sich die heilungsbedürftige rechte Hemisphäre des Patienten an die gesunde rechte Hirnhälfte des Therapeuten. Dadurch werde auch die Kommunikation zwischen beiden rechtshemisphärisch – emotional – gesteuert. Im Zuge dieses Heilungsprozesses reorganisiere sich das Gehirn, und der Patient lerne, mit seinen Affekten umzugehen.
Auch wenn Schores Ansatz nicht revolutionär ist: Die theoretische Verflechtung ist ungewöhnlich. Mit seiner Datenfülle und der komplexen thematischen Verschachtelung empfiehlt sich Schores Buch jedoch weder für den Strandkorb noch als Bettlektüre. Es wendet sich in erster Linie an Wissenschaftler und Therapeuten, doch selbst denen dürfte die sperrige Sprache ein gehöriges Maß an Konzentration abverlangen. Schade, denn das Buch hätte ein großes Publikum verdient.
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