Apollo-Programm: Remastered by a Master
Vor einigen Jahren erschien ein äußerlich ganz ähnliches Buch mit ganz ähnlichem Format, Gewicht, Preis und Anspruch, sprich, es warb damit, Fotos von den Apollo-Mondflügen sorgsam ausgewählt und restauriert zu haben. Jenes Buch, obwohl schön, war leider mit geringstem Aufwand hergestellt worden. Die Bildbearbeitung beschränkte sich darauf, mit Hilfe von für jeden zugänglichen Computerprogrammen automatisch Bildfehler wie Staub und Kratzer zu entfernen und sich dann auch noch zu rühmen, sonst alles original belassen zu haben, inklusive der Bildränder. Gewiss, das hat etwas für sich, aber jener Käufer, den ich kenne, kam sich doch ein wenig für dumm verkauft vor, zumal dieser Minimalismus auch noch als Tugend angepriesen wurde. Insofern war ich etwas skeptisch, als ich die, besonders im englischen Sprachraum, heute üblichen Lobpreisungen auf dem Schutzumschlag von »Apollo Remastered« las: Never seen before, highest quality ever produced, etc.
Das soll mir dieser Andy Saunders erst einmal beweisen, dachte ich. Ist er mit seinem Buch wirklich der Wunderwuzzi, wie man in Österreich sagt? Dass er seine Tochter Luna taufte, wie man in der Widmung lesen kann, ist natürlich ein Indiz, dass Saunders zumindest vom Gegenstand seines Buches fasziniert sein muss. Wer nicht die Geduld aufbringen sollte, diese Rezension zu Ende zu lesen, dem sei hier gleich gesagt: Saunders und seine Werbeleute rund um den Verleger, der eine Tochterfirma von Penguin Books in London ist, haben den Mund nicht zu voll genommen: Mit viel Liebe und Aufwand wurde selektiert, bearbeitet und zusammengestellt, um uns die bemannten Mondflüge ins Haus zu bringen. Minimalistisch ist nur der Text, aber dafür gibt es ja wirklich genügend andere Bücher auf dem Markt.
Dabei beginnt das Buch gar nicht besonders vielversprechend mit der hier zum hunderttausendsten Mal abgedruckten Rede JFKs: »The US should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man ...« Kennen Sie auch schon, oder?
Auch die ziemlich spärlichen Informationen der folgenden Seiten werden Ihnen wenig Erstaunen entlocken – außer vielleicht das auf dem Mond gefundene angebliche Erdgestein, was aber wirklich nur angeblich ist und keineswegs gesichert, wie hier suggeriert. Daher sollten Sie diese am besten einfach überblättern und dann ran an die Kartoffeln, den Bildteil. Dort fährt Saunders nämlich richtig an, gibt Gas und beschleunigt uns erst in den Orbit um die Erde, dann in den Orbit um den Mond und schließlich auf die Mondoberfläche. Auch das Strohwitwerleben an Bord kommt nicht zu kurz, übrigens in für den Betrachter geradezu beklemmender Enge – wie ein Freund von mir sagte: »Wie in einem Auto sind die bis zum Mond geflogen!«
Und alles das sehen wir tatsächlich in größtmöglicher Brillanz. Saunders hat unter 35 000 Aufnahmen, deren originale Scans ihm in höchster Auflösung vorlagen, eine beeindruckende Auswahl getroffen. Als geschickter Bildbearbeiter (aka Fotokünstler) hat er Helligkeiten, Farben, Kontraste und Bildausrichtungen optimiert, teils Ausschnitte und Komposite gemacht, um uns Bilder in höchster Qualität zu zeigen. Das große Atout dabei – und das ist eine echte Innovation von Saunders: Um auch das 16-Millimeter-Filmmaterial zu nutzen, hat er in der dem Planetenfotografen bekannten Manier des Stackens mehrere Einzelbilder zu Kompositen verarbeitet, die dadurch an Schärfe und Klarheit so viel gewannen, dass sie sich auch großformatig sehen lassen können. Dass Buzz Aldrin lieber die Friedensplakette an der Mondfähre fotografierte als seinen Kollegen Neil Armstrong, ist nicht die Schuld von Saunders. Ebenso nicht, dass bei Apollo 12 und 14 je ein Filmmagazin auf dem Mond vergessen wurde, und auch nicht, dass häufig Schwarz-Weiß- statt Farbfilm verwendet worden ist – wegen der höheren Auflösung. Der Autor musste auswählen aus dem, was eben vorlag.
Das Einzige, was ich an Saunders Bildbearbeitung zu beanstanden habe, ist, dass er die Mondlandschaften aus dem Orbit viel zu dunkel reproduziert hat. Auch wenn das ein sehr weit verbreiteter Fehler ist, den ich auch bei erfahrenen Astrofotografen immer wieder feststelle, ist es trotzdem ein Fehler, und das aus mehreren Gründen: Erstens, weil der Mond so dem Auge nicht erscheint – weder im Teleskop noch aus dem Bullauge einer Raumkapsel – und zweitens, weil die Rettung einzelner Stellen vor Überbelichtung zwar für Forschungszwecke löblich sein mag, aber nicht für die Bildästhetik, für die einige überbelichtete Kraterwälle allemal besser sind als unterbelichtete Kohlenkelleraufnahmen.
Aber damit auch schon genug geunkt. Dieses Buch ist so schön komponiert und verarbeitet, dass ich es jedem nur wärmstens empfehlen kann. Mit diesem Buch reisen auch Sie zum Mond, willkommen an Bord der Apollo-Kapseln! Aber vergessen Sie bitte nicht Ihre Astronautenhandschuhe, denn sonst bleiben nach der Lektüre unschöne Fingerabdrücke auf dem empfindlichen Kunstpapier.
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