Aufmerksamkeit gestört Christian Ziegler schreibt an einem wichtigen Thema leider vorbei
Immer häufiger diagnostizieren Kinderärzte bei ihren jungen Patienten Aufmerksamkeitsstörungen, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch kurz ADHD (Attention Deficit Hyperactivity Disorder) genannt. Da auch die Verunsicherung unter Eltern entsprechend zunimmt, ist der Bedarf an Ratgeberliteratur groß. Christian Ziegler, selbst praktizierender Arzt und Therapeut, führt die verminderte Reflexionsfähigkeit aufmerksamkeitsgestörter Kinder auf eine Fehlentwicklung im Frontalhirn zurück — und verspricht Abhilfe durch eine Stärkung bestimmter „Frontalhirnfunktionen“ mittels Hypnotherapie. Gibt es dazu empirische Daten? Sie werden nur am Rande berührt und stammen ausschließlich aus veralteten Übersichtsartikeln. Weniger als eine Seite erübrigt Ziegler für die physiologischen Experimente zur Aufmerksamkeitsstörung. Sein Frontalhirn-Konzept entpuppt sich damit als ein Trick, um der eigenen Therapierichtung einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Auch auf die wichtigen Fragen, wie wird ADHD diagnostiziert wird, warum es zu einem so weit verbreiteten sozialen Phänomen geworden ist und was Medikamente leisten können, geht Ziegler nur unzureichend ein. Kein Wort zu den diskutierten Ursachen, obwohl dazu bereits zahlreiche Untersuchungen vorliegen. Nachlässigerweise wird den Lesern sogar verschwiegen, dass vieles, was Eltern häufig Sorgen bereitet, als Auslöser von ADHD bereits ausgeschlossen werden konnte. Denn weder zu viel Fernsehen, Lebensmittelallergien oder übermäßiger Konsum von Süßigkeiten noch nachlässige erzieherische Betreuung kommen als Ursachen in Frage. Ziegler erklärt noch nicht einmal, woran Eltern erkennen können, ob ihr Kind tatsächlich an einer krankhaften Aufmerksamkeitsstörung leidet. Statt die international gängigen diagnostischen Kriterien — mangelnde Aufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität — zu erläutern, quält er uns mit schlecht erzählten Fallbeispielen. Eine Liste mit Kontaktadressen fehlt gänzlich, und auch das recht rudimentäre Literaturverzeichnis gibt wenig her. Am Ende immerhin einige hilfreiche Handlungsanweisungen in Tabellenform. Doch auch da gibt es schnellere Orientierung für Eltern — etwa im Internet.
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