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Es grünt so grün

Zur objektiven Beurteilung des 2010 erschienenen Sonderbands über die "Bäume Mitteleuropas" muss man wissen, dass es sich um den Extrakt einer alljährlich um etwa 20 Arten anwachsenden "Enzyklopädie der Holzgewächse" handelt, die sich mit ihren Monografien über die Baum- und Straucharten Europas und der gesamten Welt – einschließlich der Tropen – zum national wie international umfassendsten Werk der Gehölzkunde zählen darf.

Versprochen werden im Konzentrat für unsere Region Porträts von rund fünfzig in Mitteleuropa heimischen Baumarten. Wie der Untertitel andeuten soll, ist von der unter dem Trivialnamen "Zitterpappel" bekannten Aspe bis zur immergrünen Zirbelkiefer alles dabei, was einen Baumfreund interessieren könnte. Darunter insgesamt 26 Porträts der in den Jahren von 1989 bis 2010 als "Baum des Jahres" gekürten Gehölze.

Die Darstellungen der einzelnen Laub- und Nadelgehölze sind von unterschiedlichen Fachautoren aus der Wald- und Forstwirtschaft sowie der Forstwissenschaft verfasst. Das ist so vorteilhaft wie nachteilig. Wenn man eine gut leserliche Abhandlung erwartet, wird man schnell eines Besseren belehrt. Die Ausführungen über Gehölzhabitus, Pflanzenorgane, Verbreitung, Vermehrung, Nutzung und Aufzucht lesen sich, wie sich ein forstbotanisches Lehrbuch eben liest. Der Charme eines wissenschaftlichen Nachschlagewerkes überwiegt bei Weitem. Denn nicht mehr, aber auch nicht weniger ist dieser Sonderband, der sich als Sachbuch ausgibt und damit eigentlich ein Laienpublikum ansprechen soll. Schnell wird allerdings klar: "Populärwissenschaftlich" oder gar allgemeinverständlich wollen die als Herausgeber fungierenden Wissenschaftler nicht sein.

Und: Obwohl die so genannte Kompaktausgabe an die 480 Seiten umfasst, sind lediglich die als "Bäume des Jahres" gekürten Gehölze wirklich ausführlich, um nicht zu sagen, beinahe zu ausführlich behandelt – was eindeutig zu Lasten der anderen Baumarten ging. Deren besonders kurze "Kurzporträts" frustrieren immer wieder, da sie – kaum aus zwei Seiten bestehend – so gut wie keine Informationen enthalten. Warum verzichtete man dann nicht ganz auf die zusätzlichen Beschreibungen?

Ärgerlich ist auch die viel zu kleine Schrift, die besonders die Älteren unter der interessierten Leserschaft zur Lupe greifen lassen wird. Verschenkt wird dagegen viel Platz auf der jeweils ersten Seite eines neuen Baumporträts – selbst bei den Kurzmonographien. Artnamen, deutsche Synonyme, die taxonomische Einordnung in die wissenschaftliche Systematik – alles in Großbuchstaben. Vor diesem Hintergrund besonders ungewöhnlich: Zwischen den einzelnen Kapiteln findet sich immer mal wieder Eigenwerbung des Verlages.

Erst seit 1989 wird in Deutschland der "Baum des Jahres" ausgerufen. Initiator ist die Stiftung "Menschen für Bäume". Unterstützt durch vielfältige Information und noch mehr Aktionen soll die jährliche Benennung eines Jahresbaums den öffentlichen Fokus auf die jeweilige Baumart und weitere Naturschutzbelange lenken. Für mich stellt sich da abschließend die Frage nach der Zielgruppe, die man vor der Veröffentlichung eines "Sachbuchs" eigentlich im Auge gehabt haben müsste.

Dem interessierten Laien kann ich das Werk guten Gewissens nicht empfehlen. Vielmehr aber dem Forststudenten, der nicht nur für die umfangreichen Literaturverzeichnisse am Ende eines jeden Langkapitels mit Sicherheit sehr dankbar sein wird.

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