Baumexkursion erwünscht?
Ein Baum ist ein Baum ist ein Baum. Sollte man meinen. Ist er aber nicht. Allein 600 verschiedene Arten stellt der renommierte Baumexperte Hugh Johnson in seinem umfangreichen Standardwerk über die Wald- und Gartenbäume der gemäßigten Zone vor. Eigentlich als britischer Weinkritiker bekannt und vielfach ausgezeichnet, veröffentlichte Johnson bereits 1973 die englische Originalausgabe unter dem Titel "Trees". Dass sich der Schweizer Haupt Verlag nach mehr als einem Vierteljahrhundert endlich dieses Werkes annahm und im Oktober 2011 eine komplett überarbeitete Fassung für den deutschsprachigen Raum herausgab, war also längst überfällig – und das nicht nur angesichts von 750 000 verkauften englischen Exemplaren . Denn so kommen auch wir in den Genuss, uns intensiv, aber entspannt den Nadel- und Laubbäumen Europas, Asiens und Nordamerikas widmen zu können.
Johnsons "Bäume" gibt auf 400 Seiten einen umfassenden Überblick über die Baumfamilien, ihre Herkunft und Verwandtschaft. 800 farbige Abbildungen und exakte Zeichnungen zeigen die Formenvielfalt der Bäume und die ihrer Blätter, Früchte, Rinden und Wuchsformen. Ob Zwergkonifere oder gewaltiger Küstenmammut, ob exotische Weihrauchzeder oder Ölbaumgewächs, ob einfacher Apfel oder allseits bekannte Rosskastanie – keine Art wird vergessen. Durch die vielfach wunderschönen Fotografien wird das Lesen im Nachschlagewerk oft zum Erlebnis für die Augen.
Naturgemäß bietet ein Grundlagenwerk eine Fülle von Detailinformationen. So auch hier. Das Besondere: Historische Hintergründe verweben mit botanischem Grundwissen zu einer einzigartigen neuen Perspektive, die Geschichte der Bäume mit uns Menschen, auch wenn nur relativ kurz und unkritisch über die Bewirtschaftung von Wäldern informiert. Bei den Eiszeiten beginnend, berichtet das Buch von Pflanzensammlern in der alten und der neuen Welt, von Entdeckungen im Westen und Osten ebenso spannend und fundiert wie über das Innenleben eines Baumes, seine Wurzeln, Blätter, Blüten und Früchte.
Viel Wert wird auf die Verwendung der einzelnen Baumarten im Garten und in der Landschaft gelegt. Nach Form, Farbe, Bodenansprüchen und anderen Eigenschaften sortiert, bietet eine tabellarische Anleitung Hilfestellung bei der richtigen Baumwahl. Die Abfolge von dekorativen Blüten, Früchten und Blättern in einem Jahresüberblick erleichtert die Entscheidung, wenn man an einem spektakulären Blickfang im Garten interessiert ist. Anwenderfreundlich sind auch die Diagramme zu den unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten und Wuchsrichtungen in Höhe und Breite. Damit wird das Buch zu einer unverzichtbaren Fundgrube für Gärtner, Förster sowie Park- und Landschaftsarchitekten.
Eine starke Kritik muss am Ende aber doch noch kommen: Auch wenn das Buch das PEFC-Siegel trägt und damit das Papier aus einer "nachhaltigen Holzwirtschaft" stammt, gedruckt und gebunden wurde es in China. China selbst ist lediglich Mitglied der PEFC-Organisation, allerdings ohne ein nach deren Regeln anerkanntes Zertifizierungssystem und verfügt über keine eigenen zertifizierten Waldflächen. Unter Berücksichtigung der Ökobilanz stellt sich für mich hier abschließend die Frage: War das wirklich nötig?
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