Darfs ein bisschen mehr sein? Biologie nicht nur für Mediziner
An Biologie-Lehrbüchern „für Mediziner“ herrscht beileibe kein Mangel, nur leider orientieren sich viele davon fast ausschließlich am Gegenstandskatalog für die ärztliche Vorprüfung. Um so erfreulicher ist es, dass das deutlich ausführlichere Lehrbuch von Monica Hirsch-Kauffmann und Manfred Schweiger mittlerweile die vierte Auflage erfährt. Auf über 400 Seiten wird ein umfassender Überblick über die relevanten Gebiete der medizinischen Biologie gegeben. Die Darstellung ist grundlegend genug, um einen Einstieg zu ermöglichen, und ausführlich genug, um auch fortgeschrittenen Studenten zur Wiederholung und als Nachschlagewerk zu dienen. Genetik, Gentechnologie und Molekularbiologie nehmen entsprechend ihrer Bedeutung für die Medizin einen großen Teil des Buches ein, sind aber nicht überrepräsentiert. Unterstützt wird der Text durch zahlreiche Abbildungen: neben ausgezeichneten elektronenmikroskopischen Bildern erleichtern vor allem schematische Darstellungen das Verständnis. Dass die Grafiker mehrfach kleine Cartoons eingefügt haben, erhöht das Lesevergnügen beträchtlich. Überhaupt ist das Buch gut lesbar; der Text ist flüssig geschrieben und durch eingestreute Kommentare sogar richtig unterhaltsam (etwa durch Bemerkungen wie die, dass ein Gewichtsverlust bei Bandwurmbefall nicht immer von Nachteil ist). Die Unterschiede zur vorherigen Auflage sind vor allem im Layout zu finden. Wohl angeregt durch Kritik am vormals teilweise verwirrenden Aufbau und den uneinheitlich aufgebauten Text-Bild-Kombinationen, ist das Bemühen erkennbar, dem Leser eine schnellere Orientierung zu ermöglichen. Dies ist zum Teil auch gelungen (Register zur schnellen Übersicht, Positionierung der Abbildungen), manchmal aber auch nicht. Die bewährten Repetitorien, die den Stoff in prüfungsrelevanten Boxen zusammenfassen, sind z.B. in einer kleineren Schrift gehalten — was die Boxen zwar kompakter, aber nicht leichter lernbar macht. Dass ein Biologiebuch für Mediziner stark anthropozentriert ist, erscheint nachvollziehbar; im Kapitel Evolution sind jedoch einige Aussagen zu finden, die eine mittlerweile überholte Sicht evolutiver Vorgänge repräsentieren. Die Darstellung der Primatenevolution etwa als eine linear von den Chordaten zum Homo sapiens führende Linie zu beschreiben entspricht der alten Vorstellung einer Scala naturae, die den Menschen als Krone der Schöpfung ansieht. Ebenso ist die Auflistung der Evolution von spezifischen Merkmalen bei Vertebraten nicht nachvollziehbar. (Auch Nichtsäuger besitzen differenzierte Großhirne, und räumliches Sehen ist bereits bei Amphibien zu finden.) Diese Details trüben den positiven Gesamteindruck zuletzt aber kaum. Das Buch ist — nicht nur für Mediziner und Nebenfachstudenten — uneingeschränkt empfehlenswert.
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