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Selten spurlos

Ein Taxifahrer bleibt vor Gericht eisern: “Plötzlich ist mir das Reh auf glatter Fahrbahn über die Motorhaube gesprungen“! Zwar gelang es der Polizei tatsächlich Rehhaare am Unfallauto sicherzustellen. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese mit ihrer Wurzel und nicht mit der Spitze zwischen Dichtung und Frontscheibe klemmten. Spurensicherung, Haaranalyse oder Gerichtsaussage – wo war hier der Kriminalbiologe gefragt?

Letztlich versuchen beide zu erklären: Der Biologe die Natur und die Polizei kriminelles Vergehen. Gelingt es Ersterem erlernte oder neu entwickelte Methodik anzuwenden, um einen gerichtlichen Fall aufzuklären, so steht jener im Dienst der Forensik. Wie Kriminalbiologen dabei in einem weiten Gebiet als Querdenker und einschlägige Spezialisten agieren, beschreibt der erste Band der “Biologischen Spurenkunde“. Auf über 400 Seiten lassen Bernd Herrmann und Klaus-Steffen Saternus Experten der Forensik Spuren lesen.

Über dreißig Autoren, unter ihnen Paläontologen, Geoökologen, Gerichtsmediziner und Naturwissenschaftler der Landeskriminalämter, charakterisieren in diesem Werk in abgeschlossenen Kapiteln ihre Forschung. Der Leser erfasst Textilfasern, Knochen und Blut, aber auch Gift und Mageninhalt als “biologische Spur“. Und nicht jeder liest Krimis – welchen forensischen Beitrag leistet Fachwissen über Isotopensignaturen, Leinsamen, Kieselalgen und Insekten?

Der Schwerpunkt dieses Lehrbuches liegt in der methodischen Analyse der Spuren. So informieren Humangenetiker im letzten Teil der “Kriminalbiologie“ sehr ausführlich und aktuell über die DNA-Analyse bis hin zu kommerziell erhältlichen “Kits“ und deren Einsatz, um Tatverdächtige zu demaskieren. Illustrationen ergänzen das Geschriebene, veranschaulichen beispielsweise die Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion oder bilden auf dem Schädel rekonstruierte Gesichtsweichteile ab. Jedes Kapitel verweist auf weiterführende Literatur und fesselt durch teils unheimliche Berichte.

Der Leser realisiert, inwieweit unser Rechtssystem die Arbeit von forensischen Sachverständigen bestimmt: So haben Kriminalbiologen dem Gericht ihren Befund oft mündlich vorzutragen. Zudem müssen sie sich interessanterweise dem in Deutschland geltendem Verbot eines “genetischen Phantombildes“ beugen, welches die Analyse von Erbgut verbietet, das das Aussehen bestimmt. In weiteren Kapiteln beschreiben Kriminaltechniker anschaulich biometrische Merkmale, und forensische Mikrobiologen erklären, wie der genetische Fingerabdruck des Milzbranderregers Bacillus anthracis beim Auffinden der Biowaffe in den Vereinigten Staaten helfen konnte, nachdem sie 2001 kurz nach den Anschlägen von New York aus Briefumschlägen rieselte.

Die “Kriminalbiologie“ ist aktuelle, anschauliche Orientierungshilfe und Kompendium eines Forschungsgebietes, das – ausgenommen die Schweiz und Großbritannien – bislang an keiner europäischen Hochschule gelehrt wird. Zielgruppe des Lehrbuches sind vor allem berufsinteressierte Studenten und Akademiker, die mit ihrem “organismischen und analytischen Wissen zukünftig als wichtige Spezialisten im Rechts- und Verwaltungssystem gebraucht werden“. Der Leser erfasst das Arbeitsfeld, bleibt jedoch etwas im Unklaren darüber, wie er sich für den Beruf “Kriminalbiologe“ qualifizieren kann.

Herrmann und Saternus war es vor einiger Zeit nicht möglich, den Aufbaustudiengang “Naturwissenschaftliche Forensik“ an der Universität Göttingen einzurichten. Diese Informationslücke soll die "Biologische Spurenkunde" nun fürs erste überbrücken. “Die auf schnellen Erfolg ausgerichtete heutige Trendforschung“, so kritisiert Herrmann zurecht, “gehe stark auf Kosten von einschlägigen Experten“.

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