Treffpunkt der Freigeister
Der Wiener Historiker Philipp Blom entführt uns ins Paris des 18. Jahrhunderts, kurz bevor die Französische Revolution König, Adel und Kirche entmachten wird. Der Salon des Baron d’Holbach (1723-1789) ist nicht nur für seinen exzellenten Weinkeller und die raffinierten Menüs berühmt; hier treffen sich Umstürzler, denen nichts heilig ist. Alles Hergebrachte wird in Frage gestellt, nur was dem Säurebad der Kritik standhält, soll in Zukunft gelten.
Solche Vergnügungen sind riskant. Die radikalen Ideen der atheistischen Materialisten Holbach, Julien Offray de la Mettrie (1709-1751) und Claude Adrien Helvétius (1715-1771) rütteln an den Grundfesten von Staat und Kirche. Ihre "bösen" Gedanken sind intellektueller Sprengstoff, kursieren in einer schmalen Teilöffentlichkeit in Form handschriftlich kopierter Manuskripte. Nur wer durch Bekanntheit und gute Beziehungen geschützt ist, entgeht abschreckenden Strafen. Wie groß die Gefahr ist, illustriert der Fall des 19-jährigen Jean-François Chevalier de la Barre (1745-1766), der als gottlos denunziert und wegen Blasphemie angeklagt wird. Der aufmüpfige Teenager entblößt vor Gericht respektlos seinen Hintern. Zur Strafe wird er nach Durchbohren der Zunge enthauptet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, nachdem ihm zuvor noch grässlichere Folterungen angedroht worden waren.
Vor diesem Schicksal bewahrt den glänzenden Denker und Literaten Denis Diderot (1713-1784) seine Berühmtheit. Zusammen mit dem Mathematiker Jean-Baptiste d'Alembert (1717-1783) gibt er die monumentale "Encyclopédie" heraus, in deren unzähligen Sachartikeln zu Wissenschaft, Technik und Handwerk aufklärerische Essays über Gott und die Welt versteckt sind.
In Bloms Darstellung ist Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) der finstere Antipode der Lichtgestalt Diderot. Tatsächlich mutet heute das meiste von Rousseau eher skurril und verschroben an, während Diderots Texte, obwohl weniger bekannt, uns Heutigen noch immer großes intellektuelles Vergnügen bereiten können. Doch Blom überzieht maßlos; statt sich mit Kritik an Rousseaus Denken zu begnügen, argumentiert er ad personam und stellt Rousseau platterdings als Paranoiker und Lügner hin.
Dafür fehlt in Bloms Bericht der wahrlich böseste aller Philosophen ganz: der Marquis de Sade (1740-1814). Dieser besessene Pornograf entblößt in seinen skandalösen Schriften ein Dilemma, das Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die Begründer der Frankfurter Schule, erst 1944 – angesichts der faschistischen Vernichtungslager – in ihrer "Dialektik der Aufklärung" analysieren konnten. Die Aufklärung ist eben nicht nur ein Prozess der Emanzipation im strahlenden Licht der Vernunft gewesen; in de Sades "sadistischen" Szenarien kommt die Möglichkeit zum Vorschein, dass eine von jeder moralischen Hemmung befreite Herrschaft über Mensch und Natur ins Unmenschliche abstürzt.
Von solchen dunklen Stellen abgesehen ist Bloms Buch ein helles Vergügen. Es enthüllt die Konturen des fast vergessenen historischen Moments, mit dem unser modernes wissenschaftliches Denken seinen Anfang nahm.
Solche Vergnügungen sind riskant. Die radikalen Ideen der atheistischen Materialisten Holbach, Julien Offray de la Mettrie (1709-1751) und Claude Adrien Helvétius (1715-1771) rütteln an den Grundfesten von Staat und Kirche. Ihre "bösen" Gedanken sind intellektueller Sprengstoff, kursieren in einer schmalen Teilöffentlichkeit in Form handschriftlich kopierter Manuskripte. Nur wer durch Bekanntheit und gute Beziehungen geschützt ist, entgeht abschreckenden Strafen. Wie groß die Gefahr ist, illustriert der Fall des 19-jährigen Jean-François Chevalier de la Barre (1745-1766), der als gottlos denunziert und wegen Blasphemie angeklagt wird. Der aufmüpfige Teenager entblößt vor Gericht respektlos seinen Hintern. Zur Strafe wird er nach Durchbohren der Zunge enthauptet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, nachdem ihm zuvor noch grässlichere Folterungen angedroht worden waren.
Vor diesem Schicksal bewahrt den glänzenden Denker und Literaten Denis Diderot (1713-1784) seine Berühmtheit. Zusammen mit dem Mathematiker Jean-Baptiste d'Alembert (1717-1783) gibt er die monumentale "Encyclopédie" heraus, in deren unzähligen Sachartikeln zu Wissenschaft, Technik und Handwerk aufklärerische Essays über Gott und die Welt versteckt sind.
In Bloms Darstellung ist Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) der finstere Antipode der Lichtgestalt Diderot. Tatsächlich mutet heute das meiste von Rousseau eher skurril und verschroben an, während Diderots Texte, obwohl weniger bekannt, uns Heutigen noch immer großes intellektuelles Vergnügen bereiten können. Doch Blom überzieht maßlos; statt sich mit Kritik an Rousseaus Denken zu begnügen, argumentiert er ad personam und stellt Rousseau platterdings als Paranoiker und Lügner hin.
Dafür fehlt in Bloms Bericht der wahrlich böseste aller Philosophen ganz: der Marquis de Sade (1740-1814). Dieser besessene Pornograf entblößt in seinen skandalösen Schriften ein Dilemma, das Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die Begründer der Frankfurter Schule, erst 1944 – angesichts der faschistischen Vernichtungslager – in ihrer "Dialektik der Aufklärung" analysieren konnten. Die Aufklärung ist eben nicht nur ein Prozess der Emanzipation im strahlenden Licht der Vernunft gewesen; in de Sades "sadistischen" Szenarien kommt die Möglichkeit zum Vorschein, dass eine von jeder moralischen Hemmung befreite Herrschaft über Mensch und Natur ins Unmenschliche abstürzt.
Von solchen dunklen Stellen abgesehen ist Bloms Buch ein helles Vergügen. Es enthüllt die Konturen des fast vergessenen historischen Moments, mit dem unser modernes wissenschaftliches Denken seinen Anfang nahm.
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