Störfall im Denkorgan
Das Neuronennetzwerk in unserem Kopf gilt als Wunderwerk. Im Alltag versagt es hingegen oft seinen Dienst: Wir verwechseln Namen, verraten unsere heimlichen Absichten durch freudsche Fehlleistungen, und wir erleben Déjà-vus – das Gefühl, etwas schon einmal genau so erlebt zu haben, selbst wenn das unmöglich ist. Kein Wunder also, dass die Störanfälligkeit des Gehirns immer häufiger ins Visier von Sachbuchautoren gerät. Auch der Neurowissenschaftler Dean Buonomano von der University of California in Los Angeles will in diesem Buch unsere Denkfehler aufzeigen und analysieren.
Der Titel spielt auf eine IT-Analogie an: Das Gehirn muss ebenso mit Störungen klarkommen wie die Software von Computern mit ihren "Bugs" (zu Deutsch: Fehler, eigentlich: Wanzen oder Käfer). Leider gehört es zum Wesen dieser Aussetzer, dass wir uns ihrer Ursache und Wirkung nicht immer bewusst sind.
Im Kern entstammen die "Bugs" dem Lieblingsjob des Gehirns: Es assoziiert und verbindet, was die Sinne gerade aufnehmen. Der russische Physiologe Iwan Pawlow hat das anhand der Konditionierung von Hunden gezeigt. In jüngerer Zeit wiesen Psychologen nach, dass wir das Wörtchen "ruhig" in einem Text schneller erkennen, wenn wir zuvor "Geduld" lesen. Buonomano erklärt solche Effekte mit der Mustererkennung des Gehirns.
Von den Schwächen unserer grauen Zellen lebt ein ganzer Wirtschaftszweig: die Werbeindustrie. Mal offen, mal versteckt manipuliert sie unsere Gedanken und Wünsche. Folgerichtig behandelt ein Kapitel solche "Werbe-Bugs" und untersucht, wie Angst die Vernunft abschaltet und wie sich solche Schwächen kompensieren lassen. Da sich die Ursachen der Fehleranfälligkeit kaum beheben lassen, müssen wir mit den Wanzen wohl oder übel zu leben lernen.
Manche dieser Schwächen könnten sich in einen Vorteil verwandeln: zum Beispiel der religiöse Glaube, den der Neurowissenschaftler als "Übernatürlichkeitsmacke" bezeichnet. Religiosität sei darauf zurückzuführen, dass das Gehirn nach Mustern sucht und diese gern deutet. Andere Erklärungen vermuten im Glauben ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt unserer Neigung, den Dingen generell Geist zuzuschreiben oder uns einer Sache bedingungslos hinzugeben.
Der Autor unterschlägt aber auch die Hypothese nicht, wonach Religion eine Folge der natürlichen Selektion sein könnte. Der Glaube erhöhte einst womöglich die Überlebenschancen, indem er die Kooperation in der Gruppe stärkte. Glaubten alle an ein höheres Wesen, das jedes Fehlverhalten sieht, so teilten sie ihre Nahrung gerechter.
Buonomano stellt seine Überlegungen in den Kontext der jeweiligen Debatte etwa über den Ursprung des Glaubens und diskutiert verschiedene Argumente. Dabei leistet er mehr, als nur einzelne Befunde und Anekdoten aufzuzählen. Sein wissenschaftliches Metier kann der Autor aber nicht verbergen: Er ist Erklärer, kein Entertainer.
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