Lockdown gegen Vermüllung
Es ist ein Traumberuf, könnte man denken. Die Autorin Lena Bodewein lebt und arbeitet als Reporterin in Südostasien. In Bangkok, Myanmar, auf der Weihnachtsinsel Kiribati oder auf Borneo trifft sie Menschen und spricht über ihre Begegnungen im Radio. Nun hat sie aus ihren Erfahrungen ein Buch gemacht. An diesen paradiesischen Orten beobachtet sie allerdings nicht die kilometerlangen Sandstrände oder exotische Tiere im Regenwald. Vielmehr sieht sie Flüsse, die der obenauf schwimmende Müll erstickt, Städte, die sich im Klimawandel immer weiter aufheizen und vom steigenden Meeresspiegel bedroht werden, sowie Plantagen für Palmöl, in denen Orang-Utans abgeschossen und Umweltschützer ermordet werden.
Eine etwas andere Sicht auf das Paradies
Lena Bodewein lebt mit ihrer Familie in Singapur. Auch dort muss sie wegen des Coronavirus eine Maske tragen. Doch diese setzte sie schon vor der Pandemie auf, wenn der Rauchgeruch von Brandrodungen bis in die Stadt zog, weil man mal wieder Land für neue Palmölplantagen brauchte.
Eines wird schon auf den ersten Seiten klar: Lena Bodewein ist wütend. Denn die gebürtige Rheinländerin sieht »am Ende der Welt«, was Menschen in Europa durch ihre Lebensweise verursachen. Weil wir uns cremige Nussnougatcreme aufs Brot schmieren, geschmeidiges Shampoo und knusprige Kekse haben wollen, gefährden wir andere Lebewesen, so die Autorin. Durch den Konsum sterben Tiere aus, Wälder werden abgeholzt, und Inseln versinken im Meer. Selbst den Plastikmüll aus Europa findet die Autorin in ihrer Umgebung, welche die riesigen Müllberge ergänzen, die in Südostasien entstehen.
Während sie die dramatischen Situationen schildert, stellt sie gleichzeitig Möglichkeiten vor, mit denen man die Lage verbessern könnte. Sie wandert auf nachhaltigen Touren für Touristen in Baumwipfeln durch den Dschungel, die gegen die Abholzung helfen sollen. Oder sie beschreibt den Kampf von Umweltschützern und Korallenforschern gegen Kohlebefürworter in Australien.
In einem Abschnitt schildert sie einen ganz anderen Lockdown, der sich lange vor der Corona-Pandemie auf einer philippinischen Insel ereignete. Denn dort, wo Urlauber Traumstrände, Korallenriffe im türkisfarbenem Pazifik und kleine Buchten voller bunter Meerestiere suchen, verhängte der Präsident Duterte im April 2018 für sechs Monate ein Einreiseverbot, weil so viele Urlauber die Insel überrollten. Der »Tourismus-Tsunami« machte den »Geheimtipp zur Kloake«. Müll und ungeklärte Abwässer flossen direkt in den Ozean. »Das Meer riecht nach Scheiße«, soll der Präsident gesagt haben. Er nahm millionenschwere Verdienstausfälle der Bevölkerung in Kauf, um die Strände zu reinigen und eine Kanalisation anzulegen. Polizei und Soldaten kontrollierten, dass kein Tourist die Insel betrat.
Es sind aber nicht nur Präsidenten oder Regierungen, die ihre Macht positiv nutzen können, indem sie etwa einen Müllimportstopp verordnen. Das Besondere in Bodeweins Buch bilden die zahlreichen Berichte über einzelne Menschen und kleine Initiativen, die sie vor Ort besucht. Naturschützer, die Orang-Utans aufpäppeln, Bewohner eines kleinen Dorfs, die einem Stausee weichen sollen, aber eben auch Bauern, die Palmöl anbauen.
An manchen Stellen kommt die Autorin etwas stark ins Schwärmen angesichts der guten Taten. Auch wenn es schön klingt, dass Frauen als »Müll-Missionare« Müllziegel zum Bauen produzieren, Teppiche aus Kaffeetütchen knüpfen oder sogar Schmuck daraus herstellen, ist es sicher kein toller Job, im oft giftigen Wohlstandsmüll zu wühlen. In einem Abschnitt merkt Bodewein immerhin trotz Bewunderung an: »Hoffentlich ist das alles nicht belastend.«
Der Leser merkt, dass die Autorin mit ganzem Herzen dabei ist, wenn sie die Kämpfe um eine bessere Welt schildert. Ihr manchmal allzu mahnend erhobener Zeigefinger wäre dabei gar nicht nötig, sprechen ihre Berichte aus erster Hand doch eindeutig für sich.
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