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Auf den Spuren der Zivilisation

Mesopotamischen Kulturen galt der blaue Lapislazuli als so wertvoll wie Gold und Silber. Sie nutzten das begehrte Luxusgut, um Schmuck herzustellen und Götterstatuen zu verzieren. Gewonnen wurde der Edelstein allerdings im weit entfernten Afghanistan. Dass er seinen Weg in den Orient fand, war einem jahrtausendealten System von Handelsnetzen und -wegen zu verdanken. Es verband unterschiedlichste ökologische Räume, Völker und Kulturen des eurasischen Kontinents und ermöglichte wirtschaftlichen sowie kulturellen Austausch.

Cunliffe beschreibt in seinem Buch die Entstehung dieses eurasischen Kultur- und Wirtschaftsraums. Der Autor war ab 1966 Professor für Archäologie an der Universität Southhampton und von 1972 bis zu seiner Emeritierung 2007 Professor für europäische Archäologie an der Universität Oxford.

Natur macht Menschheitsgeschichte

Zunächst skizziert Cunliffe den geografisch-klimatischen Rahmen, in dem sich die geschichtliche Entwicklung vollzog. Daraus geht hervor, dass Geschichte als Ergebnis menschlichen Handelns ganz wesentlich von natürlichen Umgebungsbedingungen bestimmt wird. Laut dem Autor haben die Menschen mit ihren grundsätzlichen Bedürfnissen, etwa Ernährung und Fortpflanzung, ökologische Nischen besetzt und sich den Gegebenheiten angepasst – hierin anderen Tieren ähnlich. Allerdings kam bei ihnen noch das Streben nach Ansehen, Besitz und Erkenntnis hinzu.

An ökologischen Lebensräumen hat Eurasien zwischen Tropen und Tundra reichlich zu bieten. Besonders fruchtbare Zonen wie die Täler des Jangtsekiang und des Gelben Flusses in China, oder der fruchtbare Halbmond im Nahen Osten, boten günstige Bedingungen für Sesshaftwerdung und Staatenbildung. Andere Völker passten sich mittels Nomadentum den Verhältnissen der Steppe an.

Die sich unterschiedlich entwickelnden Kulturen bildeten bis 2500 v. Chr. erste Handelsverbindungen zwischen dem Nahen Osten, Osteuropa und der pontisch-kaspischen Steppe. Doch obwohl die Beziehungen später weiter ausgebaut wurden, verlief das Miteinander keineswegs immer friedlich. Perser und Makedonier beispielsweise betrieben in der klassischen Antike eine Expansionspolitik, und sowohl die Assyrer als auch die chinesischen Zhou-Staaten gerieten immer wieder in Konflikt mit Räubernomaden. China, argumentiert Cunliffe, sei allerdings weniger an Gebietsgewinnen als an stabilen Grenzen interessiert gewesen. Ohnehin sei sein Expansionsvermögen durch die geografische Lage eingeschränkt gewesen: durch Berge, Wüsten und Steppen im Norden und Westen, durch tropischen Urwald und Meer im Süden und Osten. Das Reich war aber ertragreich genug, um eine große Bevölkerung zu ernähren.

Durchlässige Grenzen

Politische Grenzen, hebt Cunliffe hervor, seien für wirtschaftlichen, kulturellen und personellen Austausch immer durchlässig gewesen. Handelswege wie die Seidenstraße belegen dies sehr eindrücklich: Während die Steppennomaden Pferde, Felle, Pelze, Nutztiere und Getreide lieferten, kamen aus dem Süden Konsumgüter. Auch Religionen hielten sich nicht an Grenzlinien: der Buddhismus beispielsweise verbreitete sich vom Gangestal bis in den Westen des heutigen Chinas. Und die römische Armee, Speer der sesshaften Zivilisation, bediente sich nomadischer Hilfstruppen.

Eine neue Situation entstand nach der Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. mit dem Aufstieg arabischer Stämme und der Begründung des Islam. Es folgten weit reichende Eroberungen islamischer Herrscher, die bis auf die Iberische Halbinsel ausgriffen. Cunliffe ordnet diese Entwicklungen in einen größeren Zusammenhang ein und verweist darauf, dass auch andere Gegenden des eurasischen Raumes damals in Aufruhr waren. In der Steppe etwa rebellierten Uiguren gegen die Herrschaft der Köktürken, in Zentralasien entstand bei Aufständen gegen die Umayyaden-Herrschaft das Abbassidenkalifat, in China tobten Revolten gegen die Tang-Regierung, im Nahen Osten taumelte das byzantinische Reich am Abgrund und im westeuropäischen Frankenreich der Merowinger rissen die Karolinger die Macht an sich. Ob man aber diese fast zeitgleichen Krisen tatsächlich als eine Folge des eurasischen Wirtschafts- und Kulturaustauschs interpretieren kann, wie es Cunliffe tut, erscheint zumindest fraglich.

Großkhan und Kaiser

Das Buch führt den Leser bis in die Zeit der Mongolenherrschaft im 13. Jahrhundert, als der venezianische Kaufmann Marco Polo an den Hof des mongolischen Herrschers und chinesischen Kaisers Kublai Khan reiste, eines der mächtigsten Regenten der Menschheitsgeschichte.

"10000 Jahre" ist dank einer reichhaltigen Bebilderung sehr anschaulich gestaltet. Besonders fällt der hohe Anteil von Karten auf, die geografische, klimatische und kulturelle Zusammenhänge verdeutlichen. Der Band vermittelt tiefe Einblicke in die Entwicklung von Völkern und Imperien sowie in die vielfältigen Beziehungen zwischen ihnen. Positiv sticht auch die umfangreiche, kommentierte Auflistung weiterführender Literatur hervor.

Cunliffes Werk eignet sich gleichermaßen für archäologisch und geschichtlich interessierte Laien als auch für einschlägige Fachleute. Es zeichnet die eurasische Geschichte nach und behält dabei die wesentlichen Zusammenhänge im Blick.

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