Atemlos zum Mond
Kurz vor Heiligabend des Jahres 1968 änderte sich das Weltbild der Menschheit so dramatisch wie seit den Zeiten von Christoph Kolumbus nicht mehr. Die amerikanischen Astronauten Frank Borman, Jim Lovell und Bill Anders saßen in ihrer Apollo-8-Raumkapsel und hatten den Mond schon dreimal umrundet. Gerade kamen sie wieder hinter dem Erdtrabanten hervor, als sich Bormann ein verblüffender Anblick bot: Er sah aus dem Fenster und erblickte die Erde über dem Horizont des Monds. »Hier geht die Erde auf. Mein Gott, ist das schön«, teilte der Astronaut per Funk mit. Das Foto dieser Szenerie, das die Crew kurz danach schoss, wurde zur Ikone, zur meistkopierten Aufnahme des Jahrhunderts und zum Sinnbild für den Leitspruch »Wir haben nur eine Erde«.
Jene für die Raumfahrt so historischen Minuten beschreibt der Journalist Ulli Kulke in diesem Buch. Anhand von Tonbandaufnahmen geht er minutiös den Geschehnissen in der Raumkapsel nach, als die drei Raumfahrer den Erdaufgang sahen, nach ihrer Rückkehr zur Erde aber nicht mehr wussten, wer fotografiert und wer das Szenario als erster erblickt hatte.
Fast spannender als die Landung
Genau solche Anekdoten sind es, die Kulkes Buch lesenswert machen. Der Autor beleuchtet die eher unbekannten Geschehnisse des Wettlaufs zum Mond. Vor allem erzählt er die Geschichte von Apollo 8, der ersten Mission, die in einen Mondorbit führte und damit fast spannender war als die eigentliche Landung. Denn erstmals das Schwerefeld der Erde zu verlassen und sich in eine andere, lebensfeindliche Welt zu begeben, war mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Bei den späteren Missionen konnten die Astronauten und Ingenieure auf die dabei gesammelten Erfahrungen zurückgreifen.
Dankenswerterweise stellt Kulke die sowjetischen Bemühungen, den Weltraum und den Mond zu erobern, ebenso dar wie die Erfolge der Amerikaner. Die Sowjets verwiesen die Amerikaner oft auf den zweiten Platz, etwa als sie den ersten funktionstüchtigen Satelliten in die Erdumlaufbahn beförderten, das erste Lebewesen (die Hündin Laika) in den Weltraum schickten, den ersten Mann und die erste Frau ins All entsendeten und den ersten Außenbordeinsatz durchführten. Beim Wettlauf zum Mond scheiterten sie jedoch, weil sie, anders als ihre Konkurrenten, nicht kontinuierlich auf das Ziel »Bemannte Landung auf dem Erdtrabanten« hinarbeiteten.
Ein Kapitel widmet der Autor zudem Wernher von Braun. Dieser deutsche Ingenieur machte mit dem Wissen, das er sich als Raketenkonstrukteur in Nazideutschland angeeignet hatte, die Reise zum Mond erst möglich. Kulke schildert, wie von Braun sich nach dem Krieg den Amerikanern anbot und mit welchem Selbstbewusstsein er seine Karriere in den USA forsetzte – bis hin zum Bau der mächtigen Saturn-Raketen, die schließlich die Apollo-Astronauten in Richtung Erdbegleiter beförderten.
Mit seinem Buch ist Kulke ein spannendes Werk gelungen, das weniger die erste bemannte Mondlandung thematisiert und stattdessen die vielen vorherigen Geschehnisse in den 1950er und 1960er Jahren in den Blick nimmt. Doch diese Meilensteine waren mindestens ebenso wichtig wie die publikumsträchtige Mission zur Mondoberfläche. Ein Buch für Technikfans und Raumfahrtenthusiasten.
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