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Wegbereiter des Kapitalismus

"Dass ein fast 250 Jahre altes Buch immer noch Grundlage und wichtige Inspirationsquelle einer ganzen Wissensdisziplin ist, die sich zudem als besonders modern und wegweisend gibt, ist einmalig." Der Philosoph Gerhard Streminger räumt in seiner Biografie des schottischen Aufklärers und Ökonomen Adam Smith mit einigen gängigen Klischees und Irrtümern auf.

Nein, der wirkmächtigste Philosoph der jüngeren Vergangenheit war nicht Karl Marx, sondern Smith (1723-1790), der 1776 mit seinem Hauptwerk "Der Wohlstand der Nationen" das Fundament des modernen Kapitalismus legte – jener Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, mit der sozialistische Modelle zumeist erfolglos konkurrierten. Smith begründete die moderne politische Ökonomie, das heißt die Volkswirtschaftslehre. Weithin bekannt ist seine These von der unsichtbaren Hand, die den freien Markt im Hintergrund so lenkt, dass Wohlstand entsteht. Diese Ideen prägten nicht nur das Denken jener Eliten, die Großbritannien im folgenden Jahrhundert zur ökonomisch erfolgreichsten Nation machten. Viele meinen auch, Smith sei für heutige neoliberale Bestrebungen verantwortlich, den Kapitalismus zu entfesseln.

Missverstandender Moralphilosoph

Doch gerade das – so Streminger – wollte der Ökonom nicht. Damit der freie Markt den Wohlstand der Nationen überhaupt schaffen kann, braucht es Smith zufolge die lenkende Hand des Staats. Dieser müsse nicht nur die Regeln des Markts bestimmen, sondern obendrein für Bildung, Infrastruktur und soziale Gerechtigkeit sorgen. In diesem Licht betrachtet, erscheint Smith viel eher als Begründer der sozialen Marktwirtschaft denn als Vordenker des heutigen Neoliberalismus. Zumal er nicht in erster Linie Ökonom war. Von 1752 bis 1763 hatte er an der Universität von Glasgow den Lehrstuhl für Moralphilosophie inne, was damals das Feld der heutigen Geistes- und Sozialwissenschaften abdeckte. Berühmt wurde er 1759 mit seinem ersten Hauptwerk "Theorie der ethischen Gefühle". Darin entwickelte er eine Gefühlsethik, der zufolge ein Mensch nur durch Sympathie (im Sinne von Empathie) und das Streben nach Unparteilichkeit in der Lage ist, ein glückliches Leben zu führen. Eine solche Moral sei darüber hinaus die Grundlage jeder freien wirtschaftlichen Tätigkeit.

Smith selbst hielt sich daran. Offenbar unterstützte er mit einem Großteil seines Vermögens bedürftige Nachbarn, so dass er am Ende nicht mehr viel zu vererben hatte – jedenfalls zeigte sich sein Neffe diesbezüglich enttäuscht, nachdem Smith gestorben war. Fast sein ganzes Leben verbrachte der Ökonom an der Seite seiner Mutter, die nach dem Tod seines Vaters allein zurückgeblieben war.

Arbeit, Bildung, Aufklärung

Stremingers Biografie liefert einige Anhaltspunkte dafür, wie Smith zu seiner Moralphilosophie und zu seinen Ökonomie-Thesen kam. In seinem Geburtsort Kirkcaldy erlebte er den wirtschaftlichen Aufschwung durch die Seefahrt. An seiner Wirkstätte, der Universität von Glasgow, hatte sich weithin ein aufgeklärtes Denken durchgesetzt, das auch die praktischen Seiten des Lebens in den Blick nahm. Es äußerte sich etwa darin, dass die Universität dem Entwickler der Dampfmaschine, James Watt, eine Werkstatt einrichtete. Schottland konnte infolge des reformierten Protestantismus ein vergleichsweise sehr gutes Bildungssystem vorweisen, das auch den Armen zugute kam. Und während in London große Politik gemacht wurde, kümmerten sich die schottischen Bürger zielstrebig um die Mehrung ihres Wohlstands. Zwar lernte Smith während einer zweijährigen Reise nach Frankreich bedeutende Aufklärer wie Voltaire und Diderot kennen. Doch laut Streminger beeinflusste die aufklärerische Bewegung in Schottland den Ökonomen letztlich mehr als jene in Frankreich.

Das gut lesbare, verständliche und unterhaltsame Buch verbindet Smiths Lebenslauf erhellend mit den Früchten seines Denkens. Indem es mit gängigen Vorurteile aufräumt, eröffnet es einen neuen Zugang zu dem Aufklärer und Ökonomen. Ein empfehlenswertes Werk.

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