Zu laienhaft erklärt
Was ist Wissenschaft? Wie kommt sie zu Stande, wie schreitet sie fort, wo stößt sie an ihre Grenzen? Das immer wieder zu klären, ist bitter nötig in diesen Zeiten, in denen Wissenschaftler, ihre Methodik und ihre Erkenntnisse selbst von Spitzenpolitikern faktenwidrig diskreditiert werden und in denen Mahnungen von Forschern oft unberücksichtigt verhallen – sei es bei Impfpflicht, Klimawandel oder den ethischen Diskussionen um wissenschaftliche Durchbrüche wie die »Genschere« CRISPR-Cas.
Der Autor dieses Buchs versucht sich an einer solchen Klärung, was grundsätzlich zu loben ist. Leider gelingt ihm nicht durchweg eine überzeugende Ansprache des Publikums; zudem verspricht der Titel des Werks mehr, als es einhält. Denn Fake News behandelt der Band nur am Rande und tagesaktuelle Debatten gar nicht. Vielmehr widmet sich der Autor den Grundlagen der Wissenschaft – allerdings auf eine Weise, die rätseln lässt, welche Leser er vor Augen gehabt haben mag. Thomas Vogt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Studium generale der Uni Mainz, liefert ein Propädeutikum, das streckenweise selbst Mittelstufenschüler unterfordern dürfte. Dass eine Kerze unter einer Glasglocke erlischt, sobald der Sauerstoff verbraucht ist, dürfte kaum noch jemandem neu sein – ein Beispiel, auf dem der Autor etwas zu viel herumreitet.
Wissenschaftstheorie und Thesenbildung
Die ersten Kapitel sind arg vereinfachend geschrieben und streifen mitunter die Grenze zur Banalität. Darin erläutert Vogt, was Wissenschaft ist, welche Voraussetzungen sie hat, wie die wissenschaftliche Gemeinschaft funktioniert und wie Forscher die Welt zu verstehen und zu erklären versuchen. Die Beispiele, die der Autor hierzu bringt, mögen instruktiv sein, doch wünscht man sich oft welche mit mehr Tiefgang. Passend gewählt sind sie, wenn der Autor den Fall Alfred Wegener erläutert oder van Eycks »Die Arnolfini-Hochzeit« interpretiert – doch kommt das insgesamt zu selten vor.
Richtig gut und spannend, sowohl für Laien als auch für fortgeschrittene Leser, wird es erst ab Kapitel 6, wo es um Thesenbildung geht – und insbesondere ab Kapitel 7, in dem Vogt sehr gut die Entwicklung der Wissenschaftstheorie erläutert. Hierbei befasst er sich mit dem Wiener Kreis, mit Poppers Falsifizierungstheorie, Thomas S. Kuhns Kritik an Popper und schließlich Imre Lakatos' Synthese beider. Das hat Niveau und ist dennoch verständlich und angemessen formuliert. Dass Vogt anschließend die »linguistische Wende« nennt, aber nicht weiter erklärt, ist freilich ein Manko.
Neben einer Schlussredaktion, um beispielsweise Tippfehler zu korrigieren, scheint dem Buch auch ein guter Lektor gefehlt zu haben. Dieser hätte besonders in den ersten Kapiteln eingegriffen, um unglücklichen Vergleichen, redundanten Formulierungen und simplifizierenden Beispielen entgegenzuwirken – aber auch, um die Marotte allzu häufiger rein rhetorischer Fragen abzustellen. Unüblich erscheint das Literaturverzeichnis, das die zitierten Werke so anordnet, dass manche bis zu fünfmal vorkommen, was die Sache unnötig aufbläht. Wenn man darüber hinaus in einem einzigen Zitat des Philosophen Wolfgang Stegmüller vier Übertragungsfehler findet, gerät man leicht in Versuchung, auch anderen Zitaten zu misstrauen.
Zu guter Letzt eine Bemerkung zum Buchtitel »Against Fake«. Er ist zweifellos verkaufsfördernd, in diesem Fall aber unredlich. Was der Autor auf den ersten und letzten paar Seiten über Vertrauen und »fake« schreibt, entbehrt jeder Tiefe und ist noch nicht einmal ein dünner Aufguss aktueller Diskussionen in den Medien, in denen es um die öffentliche Wahrnehmung der Wissenschaft geht.
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