»All about fish and fellows«: Unerzählte Storys von Fischen und ihren »Kumpels«
Verspielt lungert ein kleiner Oktopus auf dem »O« im Wort »Fellows« auf dem Buchcover, ein Bündel Blasentang schlingt sich um dessen »E« und ein Schwarm Köhlerfische schwimmt mitten durch »All About«. So liebevoll die kleinen Zeichnungen gestaltet sind, so unterhaltsam sind die Texte über Fische und andere Meeresbewohner wie Schwämme, über Insel-Kängurus oder die Menge an DNA, die im Meerwasser so herumschwimmt.
Wer sind die »Kumpels«?
Tim Schröder, Wissenschaftsjournalist und Biologe, schreibt regelmäßig für die Zeitschrift »mare«. Der Autor lebt in Oldenburg und damit nah an der Nordseeküste, die ihn dank ihrer Vielfalt auch heute noch hin und wieder überwältigt. Schon in seinem früheren Buch »Wunderwelt Wattenmeer« schrieb er poetisch über seine Liebe zur Nordsee, wo das Meer mal da ist und mal weg. Ab und an lässt er sich auch in diesem Sachbuch zu einem ähnlichen Stil verführen: Wenn an der mächtigen Atlantikküste Namibias die gewaltigen roten Dünen hinabwirbeln, um die Küste und das angrenzende Meer zu küssen (»I saw … the powerful Atlantic coast where the enormous Namibia red dunes swirl down to kiss the coastline and the bordering sea«). Das Lesevergnügen ist groß, und Angst vor allzu schwierigen englischen Texten braucht kaum jemand zu haben. Schwämme heißen »SpongeBob« oder einfach »Sponge«, das Wattenmeer »Wadden Sea« und Schlick ist »mudland«. Jakob Weik hat die Texte für Tim Schröder wunderbar verständlich ins Englische übersetzt, nur einige Wörter muss man vielleicht nachschlagen.
Im Mittelpunkt stehen die Wissenschaft und die außergewöhnlichen Fähigkeiten von Meereslebewesen und ihrer »Kumpels«, und das ist eben köstlich zu lesen. Es geht zum Beispiel um Fische, die aus guten Gründen nachts unterwegs sind. Oder um den »Evil worm«, der unter falschem Namen operiert, da er eigentlich eine Muschel ist. Wobei dieser Muschel-Bohrwurm auch schon mal an der deutschen Nord- und Ostsee wütet. Hat er sich erst einmal an Schiffsplanken festgebissen, ist alles verloren, schreibt Schröder. Insgesamt habe dieser »Evil worm« mehr Schiffe versenkt als alle Admirale und Piraten der Welt zusammen. Sein Trick sind symbiotische Bakterien in seinem Darm, die aus Holz leicht verdaulichen Zucker produzieren.
Amüsant verpackte Wissenschaft
Aber auch Meeresschwämme sind nicht so langweilig, wie sie vielleicht scheinen, auch wenn sie sich kaum bewegen. Lange waren sie unbeachtet die »Stoiker der Ozeane«, jetzt staunen Forscherinnen und Forscher über die vielen biochemischen und antibiotischen Substanzen, mit denen sich diese Tiere schützen. Sie sollen das Tumorwachstum oder gar eine HIV-Erkrankungen beim Menschen hemmen können. Wie hochtechnisiert diese Bodenhocker sind, offenbart der Glasschwamm, der schon vor 600 Millionen Jahren sein eigenes Glasfasernetz entwickelt hat, um auch ohne Nervenbahnen sensorische Reize durch seine selbst gebauten Glasnadeln zu schicken.
Einige »Kumpels« der Fische, von denen Schröder berichtet, sind nicht unbedingt im Wasser zu Hause. So erzählt er beispielsweise von Kängurus, die, wenn sie auf einer Insel leben, auch schon mal Meerwasser schlürfen, weil ihre »Superniere« auch Salzwasser verträgt. Oder er erklärt, wie Pflanzen das unerwünschte Salz wieder ausscheiden. Und eigentlich könnte man auch die Forscherinnen und Forscher, die Schröder für sein Buch interviewt hat, als »Kumpelinen« beziehungsweise »Kumpels« der Fische bezeichnen, weil sie so begeistert von ihrer Arbeit berichten. Ob Jörg Aschenbach vom Institut für Veterinär-Physiologie, Charlotte Havermans vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung oder Robert Monroe von der Scripps Institution of Oceanography – diese und andere führt Schröder genauso wie deren Veröffentlichungen am Ende des Buches an. Manchmal machen es die Meereswesen den Forschenden allerdings nicht ganz einfach, sie zu entdecken. Dies könnte jetzt eine Forschungsmethode ändern, die bislang übersehene Arten sichtbar macht. Denn das Meerwasser ist voll von Spuren ihres Erbgutes. Mit forensischer Spurensuche nach der »environmental DNA« können die Forscherinnen und Forscher herausfinden, wer sich so im Wasser versteckt und tummelt. Auch ohne Netze und Unterwasserkameras. Einer, der so aufgespürt wurde, ist der Zwergtintenfisch Sepiola tridens bei Helgoland.
Im Meer schlummern jedenfalls noch viele unerzählte Geschichten. Allein in der Tiefsee, so schätzt die Meeresforscherin Angelika Brandt, sind »mehr als 90 Prozent der dort lebenden, faszinierenden Arten nicht einmal bekannt«. Fast zwei Millionen unbekannte Arten könnten da zusammenkommen. Viel Stoff also für weitere Bücher, vielleicht auch für Tim Schröder.
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