Selbst etwas tun
Wenn wir unsere Lebensgrundlagen zerstören, weil wir Raubbau an den irdischen Ressourcen betreiben, dann nicht, weil das so sein muss, sondern weil es uns an Kreativität und Engagement mangelt. Das schreibt Harald Welzer in diesem Buch. Der Sozialpsychologe und Zukunftsforscher, der schon mit diversen anderen gesellschaftskritischen Werken und der Stiftung »Futurzwei« auf sich aufmerksam gemacht hat, zeigt in diesem Band, wie es auch anders gehen könnte. Manche seiner Vorschläge erscheinen utopisch, etwa Kreuzfahrten virtuell ablaufen zu lassen. Andere hingegen sind leicht umzusetzen, beispielsweise sich Freiräume zum Reflektieren zu schaffen, indem man öfter das Smartphone weglegt. Das Gerät hindere uns nämlich häufig daran, unser Konsumverhalten und unsere Gewohnheiten zu hinterfragen.
Sie stehen nicht im Stau, Sie sind der Stau
Erfrischend an dem Werk ist, dass es zwar unsere Überflussgesellschaft, die auf Kosten der Schwellen- und Entwicklungsländer existiert, detailliert abbildet und stark kritisiert. Kleidungsstücke und Smartphones, die billig in Asien oder Afrika produziert werden, oft unter menschenunwürdigen Bedingungen, sind nur einige Beispiele dafür. Doch mit Wortwitz und Optimismus macht der Autor zugleich deutlich, dass jede(r) einzelne in der Lage sei, etwas zu verändern, und sei es nur im Kleinen. Das Werk motiviert dazu, den eigenen Lebensstil und das Konsumverhalten zu hinterfragen, statt zu klagen. Denn häufig verhalten wir uns diesbezüglich absurd – etwa wenn wir zum Shoppen in die Innenstadt fahren und zugleich über Stau und Parkplatznot lamentieren, oder wenn wir mittels Smartphone unser Mitleid mit denselben afrikanischen Kindern bekunden, die unsere Elektromülldeponien absuchen. Welzer schafft es, pointiert und mitunter sarkastisch auf die täglichen Dissonanzen unseres Lebensstils aufmerksam zu machen. Zitate wie »Wir leben nicht über unsere Verhältnisse, sondern über die der anderen« bringen die Dinge auf den Punkt.
Welzer zufolge wären wir schon heute in der Lage, deutlich nachhaltiger und fairer zu leben. Warum sich trotzdem nichts ändert, liegt für ihn auf der Hand: Eliten wollten ihre Macht erhalten, und der Fokus liege auf wirtschaftlichem Erfolg. Somit ist sein Buch zwar ein kritisches, was den Blick auf unsere Gesellschaft angeht, aber auch ein positives und optimistisches, was die Möglichkeiten eigener Gestaltung betrifft. Denn das Werk macht klar: Jede(r) einzelne trägt Verantwortung und kann etwas tun. Welzer polarisiert mitunter sicherlich, trägt mit seinem neuen Band aber konstruktiv zur Debatte bei.
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