Was Verschwörungsmythen so attraktiv macht
Wie reagiere ich sinnvoll auf die Aussage meiner Mutter, dass die Impfung gefährlicher als die Corona-Infektion sei? Und was erwidere ich, wenn mein Kollege in der Mittagspause mit QAnon sympathisiert? Sarah Pohl und Isabella Dichtel versuchen Antworten zu finden. Sie richten sich in ihren Büchern an Personen, die in ihrem näheren Umfeld mit Verschwörungsgläubigen zu tun haben und einen Weg suchen, mit diesen im Gespräch zu bleiben, deeskalierend zu argumentieren und im Idealfall ein Umdenken anzustoßen.
Die eigene Überheblichkeit überwinden
Ihr Buch behandelt die Charakteristika von Verschwörungserzählungen und liefert konkrete Tipps zum Argumentieren und vor allem Deeskalieren. Außerdem fordern die Pädagoginnen die Lesenden immer wieder dazu auf, sich selbst zu hinterfragen: Was möchte ich eigentlich erreichen? Wo stecke ich mein Gegenüber in Schubladen? Welche Vorurteile hege ich gegenüber Verschwörungsgläubigen? Sie machen Mut, die eigene Überheblichkeit möglichst hinter sich zu lassen. Ihrer Meinung nach kann man Konflikte nur auf diese Weise gelassen und wohlwollend angehen, denn »wichtig zur Entschärfung … sind nicht unbedingt die korrekten Formulierungen, sondern die Haltung, mit der sich die Konfliktparteien begegnen«.
Das Buch enthält grafisch abgesetzte Zusammenfassungen und eingängig formulierte Merksätze für die nächste Diskussion. Zusätzlich behandelt es den Aspekt der Körpersprache in solchen Gesprächen sowie die so genannte schwarze Rhetorik, also wie Diskussionen garantiert nicht gelingen. Ein großes Plus ist zudem, dass es Einblick in die Arbeit der Zentralen Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen (ZEBRA/BW) gibt. An diese können sich unter anderem Menschen wenden, wenn eine Person aus ihrem Umfeld Verschwörungsideen nachhängt.
Meinungsfreiheit hat Grenzen
Bei allem Verständnis für das Gegenüber und dem besonderen Augenmerk auf gewaltfreier Kommunikation definieren Pohl und Dichtel klare Grenzen der Meinungsfreiheit. Sie endet stets dort, wo andere Menschen oder der demokratische Konsens in unserer Gesellschaft gefährdet werden.
Das Buch ermutigt Menschen, auf praktische Art und Weise selbst positiv zur Debattenkultur beizutragen und handlungsfähig gegenüber Verschwörungsgläubigen zu bleiben. Neben anschaulichen, realen Fallgeschichten hinterfragt das Buch immer wieder die eigene Haltung, um einen möglichst nachhaltigen Wandel darin zu bewirken, wie wir Konflikte zu bewältigen versuchen.
Auch das Buch von Sarah Pohl und Isabella Dichtel »Alles Spinner oder was?« widmet sich der Frage, wie ein echter Dialog mit Verschwörungsgläubigen gelingen kann (siehe auch Rezension »Anstoß zum Umdenken«).
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