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»Alles, was dazwischenliegt«: Raus aus dem Schwarz-Weiß-Denken

Nesibe Kahraman sensibilisiert dafür, dass auch scheinbar Unvereinbares nebeneinander existieren kann – ein Plädoyer für gelebte Ambiguitätstoleranz.

»Ambiguitätstoleranz ermöglicht es uns, die Vielfalt der Welt zu umarmen und die Unterschiede zwischen uns als Bereicherung zu sehen, nicht als Hindernis.« Davon ist die Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin Nesibe Kahraman (vormals Özdemir) überzeugt. In ihrem Buch widmet sie sich dem Aushalten von uneindeutigen Situationen und nähert sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven an.

Die erste Hälfte des Buchs geht schon fast philosophisch auf das Konzept der Ambiguitätstoleranz ein und erläutert, welche Vorteile wir aus der Akzeptanz der Grauzonen des Lebens ziehen können. Auch Fallbeispiele aus der psychotherapeutischen Praxis Nesibe Kahramans belegen, dass Gegensätze nebeneinander existieren können – und sollen. Denn Ambiguität zuzulassen, verlangt danach, »dass wir für uns selbst denken, Verantwortung übernehmen und uns nicht hinter vorgefertigten Schlussfolgerungen verstecken.« Sie biete die Möglichkeit, dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln.

Die Wirklichkeit ist komplex

In der zweiten Hälfte des Buches stehen die psychologischen und psychotherapeutischen Aspekte der Ambiguitätstoleranz stärker im Vordergrund. Beispiele aus der Praxis beleuchten ganz unterschiedliche Themen wie Ehe, Familie und Extremismus oder auch die Vereinbarkeit von Hobby und Beruf. Kahraman nimmt sich auch schwieriger Themen an, etwa psychischer und physischer Gewalt oder Pädophilie. Denn überall gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne dazwischen. Einfache Lösungen und Glaubenssätze, wie sie etwa für populistische Positionen charakteristisch sind, sind zumeist in einer ungesunden Dichotomie von Gut und Böse gefangen – denn sie bilden gesellschaftlichen Probleme nicht in ihrer wirklichen Komplexität ab.

Insgesamt arbeitet die Autorin sehr klar heraus, warum es wichtig ist, sich in Ambiguitätstoleranz zu üben. Ihre Fallbeispiele beschreibt sie besonders eindrücklich, die eher philosophischen Teile des Buches fallen allerdings mitunter etwas langatmig aus. Alles in allem ist ihr Buch jedoch lesenswert und erweitert den Horizont.

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