Mutter, Vater, Kind und Bonuseltern
"Unser Leben ist nicht so zerrissen und wir müssen uns nicht zwischen unseren Eltern entscheiden. [...] Und wenn wir sehen, wie glücklich unsere Eltern sind, macht uns das auch glücklich," erzählen Kristel und Lucas. Die Geschwister sind Scheidungskinder und nach eigener Aussage mit ihrer familiären Situation zufrieden. Damit bestätigen sie die These der niederländischen Autoren Jos Willems, Brigit Appeldoorn und Maaike Goyens: Eine Scheidung, mit der alle Beteiligten gut leben können, ist möglich – wenn man sich an gewisse Regeln hält.
Die drei Autoren sprechen aus eigener Erfahrung. Willems engagiert sich als Vorsitzender des Vereins "Eine neue Familie" für so genannte Bonuseltern (also die neuen Partner geschiedener Eltern) und ist Vater in einer Patchworkfamilie. Appeldoorn arbeitet als Beziehungsberaterin und teilt sich die Erziehung ihrer Söhne mit ihrem Ex-Mann. Goyens ist Mutter in einer Patchworkfamilie, ehemalige Anwältin für Familienrecht und unterstützt Familien unter anderem bei Scheidungen.
Bei einer Ehekrise entscheiden sich die meisten Paare zwischen zwei Möglichkeiten: den Kindern zuliebe zusammenzubleiben oder sich unter erheblichen psychischen Belastungen, insbesondere für den Nachwuchs, zu trennen. Doch es gibt noch eine dritte Möglichkeit, meinen die Autoren. Hier beenden Mutter und Vater zwar ihre Liebesbeziehung zueinander, als Eltern bilden sie jedoch weiter ein Gespann. Da keine Trennung der anderen gleicht, gibt es hier keinen Königsweg. Der Band versteht sich deshalb als Ratgeber, der Leser, die vor einem ähnlichen Problem stehen, inspirieren und motivieren soll.
Das eigene Verhalten reflektieren
Laut den Autoren ist es weniger die Trennung an sich, die die Kinder belastet. Vielmehr seien es die vorausgehenden, endlosen Streitereien der Eltern sowie die Angst vor Veränderungen. Die damit einhergehenden Belastungen ließen sich zumindest mindern. Sowohl hitzige Auseinandersetzungen als auch liebevolle Annäherungen seien vor den Kindern zu vermeiden. Letztere könnten die falsche Hoffnung wecken, die Trennung sei nur vorübergehend. Stattdessen sollten die Eltern als fürsorgliches Team auftreten und ihren Kindern das Gefühl vermitteln, weiterhin gemeinsam für sie da zu sein. Das erfordere jedoch, dass man den jeweils anderen als Elternteil wertschätzt. Besonders viel Fingerspitzengefühl sei gefragt, wenn neue Partner ins Spiel kommen. Diese müssen eine klare Rolle einnehmen und von allen, insbesondere vom Nachwuchs, akzeptiert werden.
Willems, Appeldoorn und Goyens machen auch klar: Ist die Sicherheit der Kinder gefährdet oder sitzt der Schmerz zu tief, dann ist der vorgeschlagene dritte Weg womöglich nicht angeraten – zumindest vorerst. Das gilt vor allem für einseitige Trennungen, bei denen die oder der Verlassene zunächst räumliche und emotionale Distanz zum Ex-Partner aufbauen muss. Hier lautet die Empfehlung: Keine nostalgischen Erinnerungen an die verflossene Liebe hegen, sondern den Ex-Partner vor allem in seiner Rolle als Elternteil sehen.
Unklare Methodik
Um ihre Ratschläge wissenschaftlich zu untermauern, führen die Autoren Studien an, laut denen Kinder nach einer gelungenen Scheidung langfristig genauso zufrieden sind wie Kinder in intakten Familien. Leider erfährt man kaum etwas über die Methodik dieser Untersuchungen. Zu einer anderen zitierten Studie, in der Kinder und Eltern ihr Wohlbefinden vor und nach der Scheidung auf einer 10-Punkte-Skala angeben sollten, bleiben ebenfalls wichtige Fragen offen: nämlich, ob es sich um konfliktbeladene Trennungen oder solche auf dem "dritten Weg" handelte. Wer das wissen will, muss in die Originalarbeiten schauen.
In jedem Kapitel kommen betroffene Eltern und Kinder zu Wort, wobei auch negative Erfahrungen anklingen. Das vermittelt einen Eindruck davon, wie dritte Wege konkret aussehen können, und macht das Werk authentisch. Mit fortschreitender Lektüre stößt man jedoch immer häufiger auf Wiederholungen, worunter die Aufmerksamkeit beim Lesen leidet. Das ist schade, denn so geht manch interessanter Aspekt womöglich unter.
Eine "glückliche Scheidung", so der Tenor dieses Buchs, kann gelingen, wenn alle mit Umsicht dazu beitragen: Mutter, Vater, Kind und Bonuseltern.
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