Südgeorgien: Serengeti des Südpolarmeers
Für Ernest Shackleton war die Insel die letzte Rettung – und am Ende doch sein Tod. Den Naturforscher Reinhold Forster schauderte "beim bloßen Gedanken, hier ein Jahr zu leben". Doch für die beiden Hochseesegler und Fotografen Thies Matzen und Kicki Ericson ist das Eiland ein Sehnsuchtsort: Südgeorgien, bisweilen auch die Serengeti des Südpolarmeers genannt. Ihre Hommage an das Naturparadies liegt nun in Buchformvor: "Antarktische Wildnis – Südgeorgien".
Nur an wenigen Stellen der Erde findet man heute noch derartige Naturspektakel, wie es die abgelegene Insel östlich von Kap Hoorn und den Falklands zu bieten hat: Hier brüten Millionen Seevögel – vor allem Pinguine und Albatrosse – und finden sich alljährlich Millionen Seeelefanten und Pelzrobben ein, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Im Meer rundum wimmelt es von Fischen, Krustentieren und Muscheln in einer Artenfülle, die den Vergleich mit wärmeren Gewässern nicht scheuen muss. Nur die Wale machen sich rar – traurige Folge eines Jahrzehnte währenden Abschlachtens durch Norweger, Amerikaner, Russen und andere.
Zerfallende Fabriken
Auch wenn der Fang mittlerweile vor Ort eingestellt ist, finden sich immer noch Überreste einstiger Industrieanlagen auf Südgeorgien, die von Norwegern erbaut wurden. Ihre rostigen Ruinen bilden beeindruckende Kulissen auf den Fotos, die Matzen und Ericson geschossen haben. Längst erobert die Natur diese menschlichen Hinterlassenschaften zurück – ob in den verfallenen Gebäuden nun Robben ruhen oder Kormorane auf Schlachtschiffen nisten.
Den größten Teil Südgeorgiens prägt allerdings wilde, ungezähmte Natur. Das Leben konzentriert sich auf die schmalen eisfreien Buchten und Klippen am Rand, während das Inselinnere von Gletschern und schroffen Bergen bestimmt wird. Bis zu 3000 Meter hoch ragen sie auf und stellen sich den röhrenden Westwinden in den Weg.
Entsprechend extrem fällt das Wetter aus: Schnee, Regen, Sonnenschein wechseln in rascher Folge. Oft toben tagelang Stürme über das Eiland, jagen hier bizarre Wolken über den Himmel, während es dort fast windstill und klar ist. Eisberge enden auf ihrem Weg aus der Antarktis hier, Gletscher kalben regelmäßig. Zwei Winter verbrachten Matzen und Ericson mit ihrem hölzernen Segelboot auf Südgeorgien, und damit wohl deutlich mehr Zeit als alle anderen Fotografen dort.
Land der Gegensätze
Die dabei entstandenen Bilder können sich sehen lassen – sei es das rote Maul eines Seeelefanten, auftauchend aus pechschwarzem Wasser, oder ein erwachsener Königspinguin, der aus einer Schar brauner Küken aufragt. Auf manchen Fotos peitschen Stürme das Meer oder versinkt das Schiff im Schneegestöber, während auf anderen malerische Sonnenstrahlen zu sehen sind, die alte Walfängerstationen beleuchten. Matzen und Ericson zeigen aber nicht nur "romantische" Natur, sondern auch den dazugehörigen Tod: Riesensturmvögel balgen sich um einen toten Pinguin, ein Robbenskelett liegt im Wasser.
Begleitet werden die Bilder von kurzen Brieftexten, die Kicki Ericson an Freunde geschrieben hat. Sie erzählen auf einer sehr persönlichen Ebene vom Leben auf dem Schiff, den Naturerlebnissen und den stets wiederkehrenden Wetterunbilden. Wer es etwas fachnäher mag, bekommt an Ende des Buchs einige Informationen zur Geschichte Südgeorgiens sowie zum heutigen Naturschutzprogramm geboten – einem gewaltigen Versuch ökologischer Wiedergutmachung. Ökologen haben sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, die Insel bald wieder rattenfrei zu machen, denn die Nager gefährden vor allem die kleineren Vogelarten. Bislang sind die Naturschützer auf einem guten Weg: Die dritte und letzte Phase des Vorhabens hat gerade begonnen. Wenn sie gelingt, wird sich die Zahl der Vögel dort noch vervielfachen – Thies Matzen und Kicki Ericson kehren dann wohl ein weiteres Mal an ihren Sehnsuchtsort zurück.
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