Daten als Preis für Gesundheit?
"Datenschutz ist was für Gesunde" postulieren die Autoren gleich im Vorwort und wiederholen diese These in ihrem Buch mehrfach. Das deutsche Datenschutzgesetz sei ein Innovationskiller und einzig der "typisch deutschen Datenhysterie" geschuldet. Diese fragwürdige Aussage untermauern sie damit, dass viele Menschen unbedacht an Bonusprogrammen teilnehmen, bei der Weitergabe von persönlichen Gesundheitsinformationen aber skeptisch sind. Dass gerade diese Daten besonders sensibel und schutzwürdig sind, darauf gehen Spahn, Müschenich und Debatin erst viel später und nur am Rande ein.
Datentransparenz im Gesundheitssektor, erfährt man als Leser, habe große Vorteile: Ein Krebspatient etwa profitiere davon, wenn sein Arzt auf Millionen Erfahrungen aus aller Welt zugreifen könne, bevor er eine Therapieentscheidung treffe. Wer wäre nicht bereit, seine Daten dafür preiszugeben? Leider unterlassen die Autoren hier eine wichtige Differenzierung: Datenschutz bedeutet nicht, keinerlei Daten zur Verfügung zu stellen – sondern die Möglichkeit des Einzelnen, darüber zu bestimmen, wer seine Daten wofür nutzen darf. Eine Krebsdatenbank wie die beschriebene ist auch angesichts strenger Datenschutzbestimmungen möglich und wird bereits heute umgesetzt.
Heilsame Software
Abgesehen von dieser Schwäche beleuchten die Autoren gekonnt, wie sich die Internetmedizin entwickelt und welche Möglichkeiten und Visionen sich mit ihr verbinden. Müschenich selbst hat mit dem Start-up-Unternehmen "Caterna Vision" die erste "App auf Rezept" auf den Markt gebracht, eine von Krankenkassen bezahlte digitale Therapie für Kinder mit Sehschwäche. Überdies ist er Vorstand des Bundesverbands Internetmedizin. Auch die anderen beiden Autoren haben einschlägige Erfahrung: der Medizinprofessor Debatin als Vizepräsident von "GE Healthcare", Spahn auf Grund seiner sechsjährigen Tätigkeit als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Dieser Hintergrund erklärt vielleicht ihre enthusiastische Befürwortung ungebremsten Datenaustauschs. So halten die Autoren es für zukunftsträchtige Ideen, dass Krankenhäuser mit dem Unternehmen Apple kooperieren oder Google auf digitale Patientenakten zugreift, um bei gesundheitsbezogenen Suchanfragen bessere Ergebnisse zu liefen. Das Buch eignet sich dafür, die faszinierenden Möglichkeiten digitaler Medizin kennenzulernen und staunend festzustellen, dass viele vermeintliche Zukunftsvisionen längst realisiert sind. Beim kritischen Reflektieren dieser Möglichkeiten lässt das Werk allerdings zu wünschen übrig.
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