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Buchkritik zu »Astronomie und Astrophysik«

Stern- und Himmelsführer sowie populärwissenschaftliche Bücher über das Weltall gibt es in Hülle und Fülle. Akademische Literatur für Berufsastronomen und fortgeschrittene Studenten gibt es in noch größerer Menge. In der Regel ist die akademische Literatur zum Thema "Sterne und Weltraum" jedoch für Hobbyastronomen nur bedingt oder überhaupt nicht geeignet und oftmals auch nicht ohne Schwierigkeiten zugänglich. Zwischen den populärwissenschaftlichen Werken (die oft ästhetisch beeindruckend sind) und der Profi-Literatur klafft zudem in der Regel eine ziemlich weite Lücke. Genau in diesen Freiraum stößt dieses Lehrbuch. Es ist elementar genug, um für ambitionierte Oberstufenschüler interessant zu sein, und gibt gleichzeitig einen anspruchsvollen Überblick über das gesamte Gebiet der modernen Astronomie (und Astrophysik).

Hervorgegangen ist das Werk aus einer Einführungsvorlesung für Physikstudenten im Grundstudium. Ähnliche Veranstaltungen gibt es mittlerweile an mehreren Hochschulen. Dieser Ausrichtung entsprechend ist insbesondere der mathematische Anspruch gegenüber Darstellungen für spätere Hauptfachstudenten zurückgenommen. Auf diese Weise erweist sich das Buch als der ideale Einstieg – nicht nur für angehenden Physiker in den unteren Semestern, sondern auch für alle ernsthaft an Astronomie und Astrophysik Interessierten, die sich nicht auf der sicheren Grundlage eines Physikstudiums bewegen (Studierende anderer natur- und ingenieurwissenschaftlicher Fächer u.a.).

Ausgehend von der Himmelsmechanik im ersten und einer Einführung in das für die Astronomen lebenswichtige Gebiet der Strahlungsphysik im zweiten Kapitel wird das Feld quasi zentrifugal aufgerollt: Ausgangspunkt der weiteren Betrachtungen ist das Sonnensystem, gefolgt von vier Kapiteln zu verschiedenen Aspekten der Sternenphysik, die in gewisser Hinsicht damit den Kern des Buches bilden. Die Milchstraße, Galaxien allgemein und Kosmologie bilden die sich zwanglos ergebenden Themen für die nachfolgenden Kapitel. Das abschließende Kapitel ist der Frage nach dem Leben im Universum gewidmet. Die Darstellung bewegt sich damit nicht nur räumlich weg von der Erde hinaus in die Tiefen des Alls, sondern auch konzeptuell in immer spekulativere Gefilde.

Das Niveau ist durchgehend gleich bleibend anspruchsvoll, die Darstellung aber immer gut nachvollziehbar; gleichwohl verlangt sie aktives Mitdenken. "Astronomie und Astrophysik" ist eben kein "Coffee-table-book", sondern ein echtes akademisches Lehrbuch. Diesem Anspruch Rechnung tragend, finden sich am Ende, nach einer Reihe von Farbtafeln mit spektakulären Bildern kosmischer Objekte, 72 Übungsaufgaben. Da die Lösungen angegeben sind, eignen sie sich (auch) zum Selbststudium. Die Darstellung des Stoffs ist kompetent und auf dem "neuesten Stand", so dies in einer Einführung, die selbstverständlich kontroverse aktuelle Forschungsthemen nicht erschöpfend behandeln kann, möglich ist.

Die Autoren schrecken aber vor solchen Themen auch nicht zurück, beispielsweise dem Problem der Ausbildung der Spiralstruktur von Galaxien, für die noch kein einhelliges, allgemein akzeptiertes Erklärungsmodell vorliegt. Bei der Diskussion des Milchstraßenzentrums, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, schlägt man sich abschließend zwar unmissverständlich auf die Seite der Verfechter des zentralen Schwarzen Lochs, jedoch nicht, ohne vorher in gebotener wissenschaftlicher Vorsicht und Nüchternheit vor einer Interpretation die unbestreitbaren physikalischen Messdaten zu erörtern. Summa summarum ist den Autoren eine sehr erfreuliche Neuauflage gelungen – für alle nichtprofessionellen Astronomen eine allererste Informationsquelle, und für manchen angehenden Berufsastronomen sicher der Nullpunkt seines professionellen Koordinatensystems.
  • Quellen
Sterne und Weltraum 7/2005

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