Auf der Reise durchs Imperium
Schon in der Antike galt: Alle Wege führen nach Rom. Doch wie sahen die Straßen des Imperium Romanum eigentlich aus? Wer baute sie? Wer bewegte sich auf ihnen? Welche Einrichtungen und Hilfsmittel verwendeten die Reisenden? Antworten auf diese Fragen liefert dieser themenbezogene Museumsführer aus dem Archäologischen Park Xanten in Nordrhein-Westfalen. Rund um das dort ansässige Römermuseum sind Pavillons verteilt, die sich verschiedenen Bereichen der römischen Lebenswelt widmen – so auch dem Thema Reise und Verkehr.
Sie nutzten, was sie vorfanden
Im ersten Teil des Buchs widmen sich die Autoren und Autorinnen der Infrastruktur im Imperium, die zu einem erheblichen Teil dazu beitrug, dass die Römer ein solches Reich überhaupt errichten und verwalten konnten. Gleichzeitig lieferte das ausgebaute Straßennetz oftmals einen zivilisatorischen Fortschritt für die eroberten Gebiete. Wie in vielen anderen Bereichen nutzten die Römer dabei das, was sie vor Ort vorfanden. In Gallien etwa bauten sie ein dichtes einheimisches Wegenetz aus – häufig nur durch einfache, mit Kies überdeckte Erdstraßen. Steinpflaster, das man gemeinhin mit römischen Straßen verbindet, war jedoch nur den besonders wichtigen Strecken vorbehalten und daher weitaus seltener.
Anschaulich erklären die Experten, wie die Römer Straßen anlegten und dabei häufig aufwändige Hindernisse überwinden mussten. Denn: »Römische Straßen sind Kunstbauten, die bei ebenem Gelände als kompromisslos gerade Trassen angelegt wurden. Die verschiedenartigen Landschaftsformen, die es galt, mit dem Bau der Straße zu bewältigen, forderten den römischen Ingenieuren angemessene technische Lösungen für jede Geländesituation ab.« Um beispielsweise Steigungen zu überwinden, ließen sie mitunter meterhohe Rampen errichten; in kleinere felsige Hindernisse trieben Arbeiter Tunnel. Es wundert deshalb nicht, dass sich Kaiser und andere höhergestellte Persönlichkeiten damit schmückten, für den Bau bestimmter Straßen verantwortlich zu sein. Über solche Zuständigkeiten – der Errichtung, Verwaltung sowie die damit verbundene Hierarchie – informiert das Buch ebenfalls.
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich vor allem mit der Reisepraxis der Menschen. Kaufleute, Beamte und Soldaten waren häufig unterwegs, aber auch Privatreisende auf Familienbesuch und sogar Touristen liefen, ritten oder fuhren durch das Imperium. Schon damals säumten Raststätten die Straßen und teilten die Wegstrecken in Etappen. Dabei unterschied man zwischen »mutationes«, also einfachen Stationen, an denen man Pferde wechseln konnte, und »mansiones«, die eine Unterkunft für die Nacht boten. Eine solche Herberge gruben Archäologen in den 1970er Jahren beispielsweise in der Colonia Ulpia Traiana – dem heutigen Xanten – aus. Der Fund und die inzwischen errichtete Rekonstruktion sind im Buch dargestellt.
Außerdem widmen sich die Autoren der Frage, wie sich Reisende auf ihrem Weg orientierten. Straßenkarten, wie wir sie heute kennen, sind bis auf die »Tabula Peutingeriana« (eine kartografische Darstellung, die mutmaßlich auf ein spätantikes Vorbild zurückgeht) nicht überliefert. Vielmehr nutzte man unterwegs so genannte Itinerare, also Verzeichnisse, die zum einen die Straßen und Orte aufzählten und zum anderen praktische Hinweise etwa zu Übernachtungsmöglichkeiten lieferten. Meilensteine am Straßenrand halfen unterwegs, sich zu verorten und Entfernungen abzuschätzen.
Dass die Herausgeber nicht nur über die Lebenswelt im Römischen Reich informieren, sondern gleichzeitig auch einen Einblick in die Archäologie und ihre wissenschaftlichen Methoden geben wollen, unterstreichen sie im letzten Viertel des Buchs. Hier berichten Museumsmitarbeiter über die Rekonstruktion von drei römischen Kutschen durch ein Team des Archäologischen Parks in Xanten. Zunächst sammelten die Forscher Informationen zu den antiken Fahrzeugen aus verschiedenen Quellen, darunter Beschreibungen aus antiken Schriften, bildliche Darstellungen etwa auf Reliefs oder Münzen sowie Teile antiker Karren, die bei Grabungen zum Vorschein kamen. Die daraus hervorgegangenen Erkenntnisse flossen schließlich in den detailgetreuen Nachbau, bei dem von der Lederbespannung der Wagen bis hin zu den Rädern alle Bestandteile genau nachgearbeitet wurden. Testfahrten bestätigten schließlich die Funktionsfähigkeit der Kutschen, die man nun im Themenpavillon des Museums besichtigen kann.
Auch ohne Museumsbesuch ist die Lektüre des preiswerten Bands ein Gewinn. Zum einen gelingt es dem Herausgeber sowie den Autoren, sich auf die wesentlichen Bereiche des Themas zu fokussieren und nicht zu sehr auszuschweifen. Das spiegelt ebenfalls die reichhaltige Bebilderung wider. Diese setzt weniger auf bloße Schauwerte als vielmehr auf treffendes Anschauungsmaterial, das die Texte hervorragend ergänzt.
Der inhaltliche Fokus liegt auf Gallien und den linksrheinischen Gebieten. Dabei beschränkt sich das Museumsteam nicht nur auf Exponate aus dem eigenen Haus, sondern stellt die bestmögliche Visualisierung in den Vordergrund. Durch treffend ausgewählte Zitate und Berichte aus antiken Quellen erscheint die Darstellung äußerst lebendig. Zusätzliches Kartenmaterial, Illustrationen und Rekonstruktionszeichnungen unterstreichen zudem den Anspruch, eine leicht zugängliche Übersicht über das Reisen im Römischen Reich zu bieten.
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