Global Player vor 500 Jahren
Globalisierung ist ein Phänomen der 1990er Jahre: Diese Aussage ist zugleich richtig und falsch. Richtig, weil der Begriff "Globalisierung" in den 1990ern erstmals größere Verbreitung erlangte. Falsch, weil man grenzüberschreitendes, global wirksames Handeln bereits in Antike und Mittelalter kannte. Doch wo lagen die Unterschiede zu heute?
Hierauf gibt Peter Häberlein, Historiker für Neuere Geschichte, im vorliegenden Werk wertvolle Antworten. Anhand der mittelalterlich-neuzeitlichen Handelsimperien der Fugger und Welser erzählt er detailliert eine vormoderne Globalisierungsgeschichte. Er weist zwar darauf hin, die Bedeutung dieser Handelshäuser sei in zahlreichen Werken überhöht worden. Dennoch streicht er deren enorme Bedeutung heraus und schreibt ihnen eine wesentliche Rolle im neuzeitlichen Globalisierungsprozess zu.
Metalle und Gewürze
Häberlein definiert den Begriff "Globalisierung" sehr gründlich. Auf dem aktuellen Stand der Forschung zeigt er auf, worin sich die wirtschaftlichen Vernetzungen von damals und von heute unterscheiden. Sein Fazit: Aufgrund der geringeren Reichweite, Intensität und Komplexität der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Verflechtungsprozesse muss man sie als vormoderne Proto-Globalisierung bezeichnen.
Der Autor zeichnet den Aufstieg beider Handelsfamilien nach. Er analysiert, auf welchen Feldern sie eine führende wirtschaftliche Rolle einnahmen, welche Netzwerke sie aufbauten und bis wohin ihre Handelsbeziehungen reichten. Silber und Kupfer beispielsweise, die aus Tirol und Ungarn stammten, wurden im 16. Jahrhundert weit über die Grenzen Europas hinaus gehandelt, wobei Antwerpen als Umschlagplatz diente. Die Fugger, die mit der portugiesischen Asienflotte kooperierten, nahmen hierbei eine zentrale Rolle ein.
Auch die Welser hatten sich kurzzeitig am Silber-und Kupferhandel beteiligt, gaben dieses Wirtschaftsfeld jedoch schon in den 1520er Jahren auf. Stattdessen verlegten sie sich auf den interkontinentalen Gewürzhandel. Vor allem Gewürze aus Asien waren ein begehrtes Luxusgut, blieben jedoch trotz gut erschlossener Handelsrouten fast nur für Angehörige der oberen Klassen erschwinglich.
Süße Massenware mit bitterem Beigeschmack
Ende des 15. Jahrhunderts nahm die Zuckerproduktion, die bis dahin auf Europa beschränkt gewesen war, einen steilen Aufschwung. Der expandierende Zuckerhandel wurde ebenfalls von den Welsern forciert. Die aufkommende Seefahrt zwischen iberischer Halbinsel und atlantischem Raum führte dazu, dass Zucker seinen Status als Luxuserzeugnis verlor und allmählich zum Massenprodukt wurde, das einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich wurde. Allerdings hatte das einen hohen menschlichen Preis – es war nur möglich durch die Erschließung neuer Produktionsgebiete in Übersee, durch intensiven Sklavenhandel und Plantagenarbeit.
Anhand von Silber, Kupfer, Zucker und anderen Produkten zeigt der Autor beispielhaft, wie die vormoderne Globalisierung voranschritt. Güter, die man vormals nicht oder kaum gekannt hatte, fanden über weite Strecken und viele Zwischenstationen Eingang in den heimischen Markt. Anhand von Daten aus zahlreichen Quellen analysiert Häberlein die wichtige Rolle, die Fugger und Welser dabei spielten. Er zeigt, wie sie die Proto-Globalisierung durch ihre Handelsgeschäfte vorantrieben, wie sie mit anderen Akteuren interagierten, welche Städte und Kontinente sie in ihre Handelsnetze involvierten und welche Reichweite sie dabei erzielten. Obwohl er zahlreiche Daten und Orte aufführt, gelingt ihm eine stringente und strukturierte Darstellung. Auch wenn die Reichweite und vor allem die Intensität der Proto-Globalisierung nicht mit der heutigen vergleichbar war, sollte man ihre Bedeutung nicht unterschätzen, so Häberleins Fazit.
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