Buchkritik zu »Aus dem Tritt geraten«
Wir sind nicht für diese schöne neue Welt gemacht. Wer das bezweifelt, muss bloß die Augen aufmachen – und handeln. Ob allerdings der Waschzetteloptimismus, der auf wissenschaftliche Gegensteuerung durch "neueste Erkenntnisse aus Evolutions- und Entwicklungsbiologie" und so weiter setzt, berechtigt ist, sei dahingestellt.
Die beiden Autoren Peter Gluckman und Mark Hanson, Geburtsmediziner und Kinderärzte, sind natürlich in ihrer Weise "fachblind" und bekümmern sich über die zunehmende Zahl von Krankheiten, die nach Statistik und Epidemiologie mit Umwelteinflüssen in Zusammenhang gebracht werden. Sie haben darüber geforscht und sich beraten lassen, um ein überzeugendes Buch zu verfassen, das von Sebastian Vogel in bewährter Weise übersetzt wurde. Das ist gelungen. Ob allerdings der Originaltitel mismatch nicht doch eher "Fehlanpassung" als "aus dem Tritt geraten" bedeutet, sei dahingestellt.
Der "Bauplan fürs Über-Leben" ist eine euphemistische, leicht ins Aktiv fehldeutbare Umschreibung dafür, wie Evolution aus dem Wechsel von Einflüssen und Steuerprozessen funktioniert. Die in diesem Buch aus (Reise)Erfahrung und medizinischer Beobachtung zusammengetragenen Schilderungen bezeugen, dass unser Genom epigenomisch in hohem Grad und unter Umständen vererbbar an die Umwelt anpassungsfähig ist – aber nicht unendlich. Diese Anpassung wird oft durch sekundäre Gegenregelungen widerrufen, bis sich nach längerem Kreisen ein erträglicher Zustand ausbildet. Das immer wieder beliebte Beispiel sind die Sherpa, die aus ihrem ursprünglichen Wohngebiet durch Zwang in die unfruchtbaren Hochtäler des Himalaya ausgewichen und fast am Jodmangel-Kretinismus eingegangen sind. Die geschilderten Überlebens"strategien" sind daher echter, angewandter Darwinismus.
Der Überlebenspreis für die Feinabstimmung des Humangenoms ist nicht gering. Sie wird durch die inzwischen als selbstverständlich angesehene Lebensweise der modernen Welt überfordert. Der Phänotyp schafft es nicht mehr, weder körperlich noch seelisch. Der Ausweg ist, das Wissen vorbeugend, erhaltend und betreuend anzuwenden. Aber das ist unbequem, auch wenn die Vernunft dafür spricht. So wendet man die Wissenschaft lieber im Notfall an als eine Art Prothese – und schafft dadurch neue Komplikationen. Das klingt nicht gut, aber die Autoren leben vom aufklärerischen Eros und Ethos. Sie geben der Lektüre Kraft und Spannung.
Die beiden Autoren Peter Gluckman und Mark Hanson, Geburtsmediziner und Kinderärzte, sind natürlich in ihrer Weise "fachblind" und bekümmern sich über die zunehmende Zahl von Krankheiten, die nach Statistik und Epidemiologie mit Umwelteinflüssen in Zusammenhang gebracht werden. Sie haben darüber geforscht und sich beraten lassen, um ein überzeugendes Buch zu verfassen, das von Sebastian Vogel in bewährter Weise übersetzt wurde. Das ist gelungen. Ob allerdings der Originaltitel mismatch nicht doch eher "Fehlanpassung" als "aus dem Tritt geraten" bedeutet, sei dahingestellt.
Der "Bauplan fürs Über-Leben" ist eine euphemistische, leicht ins Aktiv fehldeutbare Umschreibung dafür, wie Evolution aus dem Wechsel von Einflüssen und Steuerprozessen funktioniert. Die in diesem Buch aus (Reise)Erfahrung und medizinischer Beobachtung zusammengetragenen Schilderungen bezeugen, dass unser Genom epigenomisch in hohem Grad und unter Umständen vererbbar an die Umwelt anpassungsfähig ist – aber nicht unendlich. Diese Anpassung wird oft durch sekundäre Gegenregelungen widerrufen, bis sich nach längerem Kreisen ein erträglicher Zustand ausbildet. Das immer wieder beliebte Beispiel sind die Sherpa, die aus ihrem ursprünglichen Wohngebiet durch Zwang in die unfruchtbaren Hochtäler des Himalaya ausgewichen und fast am Jodmangel-Kretinismus eingegangen sind. Die geschilderten Überlebens"strategien" sind daher echter, angewandter Darwinismus.
Der Überlebenspreis für die Feinabstimmung des Humangenoms ist nicht gering. Sie wird durch die inzwischen als selbstverständlich angesehene Lebensweise der modernen Welt überfordert. Der Phänotyp schafft es nicht mehr, weder körperlich noch seelisch. Der Ausweg ist, das Wissen vorbeugend, erhaltend und betreuend anzuwenden. Aber das ist unbequem, auch wenn die Vernunft dafür spricht. So wendet man die Wissenschaft lieber im Notfall an als eine Art Prothese – und schafft dadurch neue Komplikationen. Das klingt nicht gut, aber die Autoren leben vom aufklärerischen Eros und Ethos. Sie geben der Lektüre Kraft und Spannung.
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