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»Aussterben«: Wie der Kapitalismus das Artensterben vorantreibt

Der Englischprofessor Ashley Dawson erklärt kurz und bündig den Biodiversitätsverlust und macht Vorschläge für einen sozial gerechten Umweltschutz. Eine Rezension
Fabrik in Schanghai

»Sie hackten sein Gesicht ab und ließen ihn hingestreckt im roten Staub und den Geiern zum Fraß ausgesetzt liegen.« Ashley Dawsons Buch beginnt drastisch – mit der Schilderung eines Elefanten, der wegen seiner ungewöhnlich langen Stoßzähne Elfenbeinjägern zum Opfer fiel. Die Szene wird zum Auftakt eines kurzen, anregenden Buchs über den Biodiversitätsverlust.

Dawson, Englischprofessor an der City University of New York und Autor mehrerer Bücher, führt das Artensterben auf den expansiven Kapitalismus zurück. Mit Beispielen, die von der Vergangenheit bis zur Gegenwart reichen, begründet er diese These überzeugend. Wale etwa wurden ab dem 17. Jahrhundert intensiv bejagt, da sie Rohstoffe wie Öl lieferten, das man unter anderem zur Beleuchtung von Maschinen nutzte. Der industrielle Fortschritt habe oft als Begründung für den räuberischen Umgang mit der Natur hergehalten, erklärt der Autor.

Nicht nur die Umwelt wird ausgebeutet

Zu den gelungensten Aspekten von »Aussterben« zählt, dass Dawson auch Zusammenhänge zwischen der gewaltsamen Ausbeutung der Umwelt und jener bestimmter Menschengruppen sieht. So benutzten die Europäer während der Kolonialzeit häufig nicht nur die Flora und Fauna anderer Länder, sondern auch deren Einwohnerinnen und Einwohner, argumentiert er.

Mit den historischen Beispielen will Dawson auf gegenwärtige Formen kapitalistischer und kolonialer Ausbeutung aufmerksam machen. Diese haben ihm zufolge nämlich noch kein Ende gefunden, auch wenn sie heute mitunter als Naturschutz »getarnt« werden.

Als Beispiel nennt der Autor das REDD+-Programm der Vereinten Nationen, das armen Ländern Geld für den Schutz ihrer Wälder und die damit verbundene Verringerung von CO2-Emissionen verspricht. Entwickelt wurde es allerdings ohne die Beteiligung der indigenen und waldabhängigen Bewohner dieser Staaten. Zudem erlaube es REDD+, Wälder als bloße Speicher von Kohlenstoff zu sehen, kritisiert Dawson. Das gespeicherte CO2 könne dabei an reiche Staaten verkauft werden, damit diese ihre Schadstoffemissionen ausgleichen. Auch sei es im Zuge von REDD+ schon oft zu Landraub und Menschenrechtsverletzungen gekommen.

Wie kann dagegen gerechter Umweltschutz aussehen? Dawsons Vorschläge umfassen unter anderem ein universell garantiertes Einkommen für Bewohnerinnen und Bewohner von Biodiversitäts-Hotspots, das ihnen mehr Einfluss bei Umweltschutzmaßnahmen gegenüber den Regierungen verschaffen und Wilderei verhindern könnte. Zugleich ließen sich so eine historische »Biodiversitätsschuld« begleichen und Reiche mehr in die Pflicht nehmen, wenn das Einkommen aus einer Besteuerung spekulativer globaler Kapitalströme gewonnen werde, schreibt er.

Punktuell zieht Dawson interessanterweise auch technologische Ansätze wie das Klonen bedrohter Tierarten in Betracht – allerdings nur, wenn diese dazu dienen, die genetische Vielfalt dieser Arten zu erhöhen. Ideen, ausgestorbene Tiere wie das Mammut wieder auferstehen zu lassen, hält er wegen der fortschreitenden Lebensraumzerstörung und einer möglichen Patentierung dieser geklonten Arten für bedenklich.

Das alles liest sich bei aller Radikalität durchdacht und ist klar formuliert. Irritierend ist nur, dass das Buch im amerikanischen Original bereits 2016 erschien, die Übersetzung aber erst sechs Jahre später vorliegt – was an der Aktualität der Forderungen allerdings kaum etwas ändert.

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