»Balkonkraftwerk«: Ansteckende Balkonkraftwerke
Im Eingang vieler Baumärkte sind inzwischen große blauschwarze Paneele aufgestellt. Es sind nicht die üblichen Teile für große Solaranlagen, sondern Einzelstücke zum Selbstinstallieren auf dem Balkon oder im Garten – Steckersolarmodule inklusive Kabel zum sofortigen Einstecken in eine Stromsteckdose. Das klingt ganz einfach – doch ist das auch wirtschaftlich, und was ist mit den behördlichen Auflagen?
Der Autor Stefan Tomik erklärt Schritt für Schritt, wie es klappen kann mit dem Selbstinstallieren. Nachvollziehbar rechnet er den realisierbaren Ertrag vor, erklärt, wie sich der Aufstellwinkel auswirkt und was eine Verschattung durch Bäume ausmacht. Und wie er es selbst schafft, rund 15 Prozent seiner Stromkosten einzusparen. Oder warum ein klarer Wintertag sogar besser als ein heißer Sommertag sein kann. Denn nicht immer ist eine Ausrichtung nach Süden die beste. Anders als eine große Solaranlage kann die Balkonanlage für den eigenen Verbrauch ausgerichtet werden und daher vielleicht besser nach Westen zeigen. Das hat dann sogar den Vorteil, dass sich die Solarzelle weniger aufheizt, wodurch sich ihr tatsächlicher Wirkungsgrad erhöht. Und auch wie die Hitze wirkt, kann man mit der Lektüre von Tomiks Buch einfach ausrechnen: Er schreibt, wo sich diese Hitze-Kennzahl im Datenblatt verbirgt.
Ist noch Platz auf dem Rasen, welche Rechte haben Mieter, welche Last verträgt der Balkon, wie komme ich gut auf das Flachdach? Wie viel Leistung sollte das eigene Steckermodul haben, welcher Winkel ist möglich, oder wie ist die Sonnenstrahlung in Deutschland verteilt? Der Autor geht auf alle möglichen Stolpersteine ein und zeigt, wie sie aus dem Weg zu räumen sind. Dargelegt wird auch, welche Versicherung hilft und welche Schäden abgedeckt sind, wenn die Anlage vom Balkon fällt oder gestohlen wird. Nebenbei lernen die Leser viel über die Hauselektronik, Wechselrichter, ihren eigenen Verbrauch und wie die Anmeldung bei dem Netzbetreiber erfolgen muss.
Etwas kurz fallen seine Anmerkungen zu den Inselanlagen aus. Denn fällt der Strom einmal aus, liefert auch das Steckermodul keinen mehr. So genannte Inselmodule sind unabhängig und gegen einen Blackout gewappnet, aber nicht so einfach selbst zu installieren.
Zum Schluss schildert Tomik kurz die Geschichte der Steckersolargeräte. Er berichtet von den Pionieren, die den ersten passenden Wechselrichter entwickelt haben oder auf dem Balkon ihrer Oma das erste umstrittene Balkonkraftwerk aufgehängt haben. Er geht kurz auf den Widerstand auch gegen die anderen Solaranlagen ein. Beispielhaft führt er den Chef der RWE an, der noch 2012 behauptete, Solaranlagen in Deutschland seien so sinnvoll wie der Anbau von Ananas in Alaska. Oder wie Behörden Ängste schürten, indem sie bei Balkonkraftwerken vor Gefahren für Leib und Seele und für die Stabilität des Versorgungsnetzes warnten.
Tomik will ansteckend wirken. Schon die Forschenden des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung schreiben, jedes aufgehängte Solarmodul mache die Energiewende sichtbar und verbreite die Idee weiter. So haben sie ermittelt, dass Solaranlagen »ansteckend« auf Nachbarn wirken, und zwar »auf gute Weise«, indem dann auch sie auf eigenen Solarstrom umsteigen.
Tomiks Buch ist hochaktuell. Laut einer Beispielrechnung im Buch amortisiert sich ein Steckersolarmodul nach fast zehn Jahren – da aber gerade die Modulpreise sinken und die Stromkosten steigen, dürfte sich die Amortisationsdauer verkürzen. Und: Ende März wurde mit Erfolg eine Petition zu Balkonkraftwerken beim Bundestag eingereicht und angenommen. Vielleicht wird die Installation von Steckeranlagen endlich vereinfacht. Ansteckend wirkende Balkonflächen gibt es genügend.
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