Direkt zum Inhalt

»Besser fühlen«: Fühlen ist das, was uns menschlich macht

Wut, Langeweile, Trauer – zu selten leben Menschen vermeintlich negative Gefühle aus, sagt der Psychologe Leon Windscheid. Dabei würde gelassener, wer sie annimmt, wie er in seinem Buch erklärt.

Die wenigsten Menschen betrachten wohl Angst als wertvolle Emotion und Langeweile als Warnung – aber genau das macht die Erklärungsansätze von Leon Windscheid so interessant. Der Psychologe, Unternehmer und Autor verschafft Leserinnen und Lesern einen ganz neuen Blick auf die eigene Gefühlswelt und macht klar: Das Fühlen ist das, was uns menschlich macht. Wir leben jedoch in einer Zeit, in der das Ausleben von negativen Gefühlen oft keinen Platz hat. Denn wer kann es sich schon leisten, wutentbrannt aus dem Büro zu stürmen oder den Tränen freien Lauf zu lassen? Trotzdem lohnt es sich, die unangenehmen Gefühle besser verstehen und ausleben zu lernen. Werden diese beiseitegeschoben oder gar verdrängt, gewinnen sie erst recht an Bedeutung.

In zwölf Kapiteln gelangt man dem Ziel der Reise, nämlich der Gelassenheit, Schritt für Schritt näher. Leser erfahren, dass die Angst als Fokus dienen kann, wie bei einer Kamera – und dass es vor allem die Angst vor der Angst ist, die uns das Leben schwer macht. Dabei spielt die persönliche Sichtweise auf die eigenen Gefühle eine tragende Rolle: Wer sich vor einem Test »angeregt« statt »ängstlich« fühlt, schneidet besser ab. Windscheid gibt zudem konkrete Tipps, etwa wie achtsamkeitsbasierte Ansätze gegen Ängste helfen können. Er lässt auch stets die Meinung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einfließen, die sich bereits viele Jahre mit der Gefühlswelt beschäftigt haben.

Von Emotion zu Emotion

So führt der Autor von einem Gefühl zum nächsten, verknüpft etabliertes Fachwissen mit neuen Forschungserkenntnissen und streut dabei seine eigene Sicht auf die Welt ein. Wer sich auf die Reise zur Gelassenheit einlässt, bekommt viele Anregungen. Zum Beispiel, wie es gelingen könnte, mitfühlend zu sich selbst oder lebenslang verliebt zu sein. Außerdem erfährt man viel über den Stellenwert von Wut, Trauer und Langeweile – Letztere soll etwa als Aufforderung zur Veränderung dienen.

Sowohl epidemiologische Daten als auch sämtliche Studien und Gespräche mit Forschenden zitiert Windscheid akribisch. Die knapp 20 Seiten Quellenangaben bieten darüber hinaus interessante Anreize zum Weiterlesen. Neben Klassikern der Psychologie wie dem Marshmallow-Test von Walter Mischel diskutiert er neue Konzepte. Dazu zählt beispielsweise der Apparat »Robo Gut«, der menschliche Stuhlproben aufbereitet, um damit Depressionen zu behandeln. Dazwischen finden sich Zitate von Konfuzius über Epikur bis hin zu Albert Einstein, deren kluge Worte die Ideen des Autors ergänzen.

Insgesamt erscheint es ein hohes Gut, gelassen durch das Leben gehen zu können: sich nicht mehr von Kleinigkeiten aus der Bahn werfen und verunsichern zu lassen, nachhaltig verliebt zu bleiben, seine Lebenszeit bewusst zu nutzen und selbst in unangenehmen Emotionen einen Antrieb und einen Sinn zu sehen. Windscheids Bestseller kann dabei helfen, diesem Ziel ein Stück näher zu kommen. Und man darf sich auf die Zukunft freuen: Denn wer mit 33 Jahren schon so viel Weisheit in einem Buch kondensieren kann, von dem dürfen wir in den kommenden Jahren wohl weiterhin Großes erwarten.

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – »Für die Energiewende brauchen wir mehr heimische Rohstoffe«

Die Energiewende stellt die deutsche Industrie vor Herausforderungen. Kritische Rohstoffe stammen überwiegend aus dem Ausland. Im Interview erklärt Industrieexpertin Anne Lauenroth Ansätze zur Verringerung dieser risikoreichen Abhängigkeiten. Außerdem in dieser »Woche«: Solidarität in Krisenzeiten

Gehirn&Geist – Beziehungen: Wie sie prägen, wann sie stärken

Das Dossier widmet sich sozialen Beziehungen in all ihren Facetten: zwischen Partnern, Eltern und Kindern, Freunden oder in Gemeinschaften. Die Beiträge liefern wichtige, aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung. Sie verdeutlichen, wie heilsam und wichtig die Verbundenheit mit anderen ist, aber auch, wann sie schaden kann. So zeigt der Beitrag zum Thema Bindungsfähigkeit, dass die Erfahrungen der ersten Lebensjahre prägend sind. Doch Bindungsstile lassen sich ändern. Mit vernetzten Hirnscannern ergründen Mannheimer Forscherinnen und Forscher die Geheimnisse sozialer Interaktionen, die einiges über die Beziehung verraten. Das Hormon Oxytozin gilt als soziales Bindemittel. Ein reines Kuschelhormon ist es dennoch nicht. Auch Umarmungen spielen im Alltag vieler Menschen eine wichtige Rolle, aber erst jetzt beginnen Psychologen, dieses Verhalten zu verstehen.

Spektrum - Die Woche – Wie ich atme, so fühle ich

Ganz unbemerkt atmen wir täglich zirka 20.000-mal ein und wieder aus. Dabei ist das, was währenddessen in unserem Körper passiert, alles andere als banal. Und wird sogar von unserem Gemüt beeinflusst. Lesen Sie in der aktuellen »Woche«, wie die Teamarbeit von Hirn und Lunge gelingt.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.