Wie man Narzissten richtig hilft
Zugegeben – es gibt beliebtere und weniger beliebte Patienten in der Psychotherapie. Und Narzissten gehören eher zu letzteren. Umgangssprachlich wird jemand, der egoistisch, eitel und selbstverliebt wirkt, schnell abschätzig als Narzisst tituliert. In der Psychologie gilt Narzissmus dagegen als ein Persönlichkeitsmerkmal, das in der Bevölkerung wie Intelligenz normalverteilt ist. Menschen mit einem Hang zum Narzissmus sind selbstbewusst, übernehmen gern die Führung und nehmen sich, was sie wollen.
Andere kleinmachen, um sich groß zu fühlen
Wenn diese Eigenschaften jedoch überhandnehmen, das ganze Leben bestimmen und den Betreffenden oder sein Umfeld stark belasten, spricht man von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Betroffene haben einen enormen Wunsch nach Bewunderung und Aufmerksamkeit. Sie sind ständig auf Komplimente aus und halten sich für so wichtig, dass jeder sich ihnen unterordnen muss. Durch ihre Anspruchshaltung und die Unfähigkeit, die Bedürfnisse anderer anzuerkennen, nutzen sie ihre Mitmenschen teils schamlos aus. Fremde Leistungen und Erfolge werten sie ab: Sie müssen andere kleinmachen, um sich selbst groß zu fühlen.
Genau diese Eigenschaften, die narzisstischen Menschen und ihren Angehörigen das Leben schwer machen, hindern sie oft daran, sich auf eine Behandlung einzulassen. Dafür müsste man sich schließlich eingestehen, dass man Hilfe braucht – und den Therapeuten oder die Therapeutin als kompetentes Gegenüber akzeptieren. Das macht eine Therapie schwierig, aber keineswegs unmöglich, meint der Psychiater und Narzissmus-Experte Claas Hinrich-Lammers. Sein Buch soll jenen Therapeuten helfen, die sich der Herausforderung stellen. Konkret empfiehlt er, zwischen adaptiven und maladaptiven Eigenschaften des Patienten zu unterscheiden. So könnte dessen Anspruchshaltung durchaus hilfreich sein. Ebenso sollte man den Blick immer wieder auf Stärken und Kompetenzen lenken.
In acht Kapiteln vermittelt der Autor fundiertes Wissen zum Narzissmus, beschreibt die Reaktionen, die Narzissten im Gegenüber auslösen, identifiziert Hürden in der therapeutischen Arbeit mit narzisstischen Menschen und erklärt, wie man sie mit geeigneten Techniken überwindet. Dabei führt er anschauliche Fallbeispiele an und fasst Wichtiges in Abbildungen zusammen.
Entscheidend sei es, sich nicht von Provokationen aus der Ruhe bringen zu lassen. Vielmehr müsse man die verborgene Not des Narzissten oder der Narzisstin anerkennen. »Scheuen Sie sich nicht, auch nach Suizidgedanken zu fragen«, mahnt Lammers. Sein Tipp: »Legen Sie sich eine oder zwei Standardantworten zurecht, mit denen Sie sich bei Provokationen jederzeit aus der Affäre ziehen können.«
Neben geeigneten Sätzen für die Gesprächsführung liefert er Vorbilder aus der Literatur. So rät er, sich die interessierte und empathische Haltung von Kommissar Maigret aus den Krimis des belgischen Schriftstellers Georges Simenon abzuschauen. Lammers Buch kann Therapeutinnen und Therapeuten helfen, eine tragfähige Beziehung zu Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung aufzubauen – und verhilft diesen zu einer passenden Behandlung.
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