2D-Kristalle aus eigener Herstellung
Mario Markus, emeritierter Professor der Physik, hat zahlreiche wissenschaftliche und literarische Werke publiziert. In seinem neuen Buch betritt er die Welt mikroskopischer Materie im Grenzbereich von Physik, Chemie und Biologie. Der Untertitel "2D-Kristalle zum Selbermachen" umreißt, worum geht.
Zunächst befasst sich der Autor mit Unterschieden zwischen drei- und zweidimensionalen Kristallen sowie dem – recht jungen – wissenschaftlichen Interesse an letzteren. Im Kapitel "Wie verfährt man?" kommt er zum eigentlichen Thema: dem Züchten zweidimensionaler Kristallstrukturen. Er erläutert, welche Hilfsmittel hierfür nötig sind und was beim Experimentieren zu beachten ist. Ein paar Hinweise, wo und wie man die erforderlichen Substanzen erhält, sowie entsprechende Kochrezepte schließen die Anweisungen ab. Nebenbei erfahren die Leser, dass sie zum Betrachten beziehungsweise Fotografieren der selbst erzeugten Kristalle unbedingt ein Mikroskop brauchen.
Stoffkunde
Es folgen vierzig Seiten Text, auf denen der Autor diverse Substanzen beschreibt. Sehr umfassend und informativ geht er auf die Klassifizierung der Stoffe, ihre Entdeckungsgeschichte und ihre Nutzung in Medizin, Chemie und Alltagsleben ein. Die Reihenfolge, die er dabei wählt, erschließt sich allerdings nicht. Während er Aminosäuren noch zusammenhängend behandelt, scheint er sich mit anderen organischen sowie anorganischen Komponenten eher willkürlich zu befassen. Weder das Alphabet noch die chemische Komplexität der Substanzen dienten offenbar als Kriterien dafür, die Zusammenstellung zu sortieren. Das bereitet vor allem deshalb Probleme, weil das Inhaltsverzeichnis die Stoffe nicht namentlich aufführt. Nach einer bestimmten Substanz zu suchen, erweist sich deshalb als recht mühsam.
Am Ende beleuchtet Markus die Prozesse und Ergebnisse, die sich an den Kristallen beobachten lassen, beziehungsweise die zur Bildung derselben führen. Bevor er seine Leser in den Bildteil entlässt, sinniert er noch kurz darüber, ob die Darstellung zweidimensionaler Kristalle als Kunst anzusehen sei oder nicht. Hier zeigt er sich diplomatisch und überlässt die Entscheidung dem Leser.
Bilder und ihre Beschreibungen
Mit 176 Schwarzweiß- und Farbdarstellungen im Bildteil kommt das Buch üppig illustriert daher. Das ist wichtig und gut, um Vielfalt, Schönheit und Komplexität der kristallinen Substanzen zu demonstrieren. Schade, dass die Bildunterschriften sehr wenig Information enthalten: Die Leser müssen sich mit der Bildnummer und der Zusammensetzung der Ausgangslösung begnügen. Die Angabe der optischen Vergrößerung fehlt ebenso wie ein Maßstabsbalken in den Abbildungen. Auch Hinweise auf etwaige Besonderheiten sucht man vergebens.
Was dem Lesevergnügen einen weiteren Dämpfer versetzt, ist die Gestaltung des Buchs. Den Text auf einfaches Papier zu drucken, ist in Ordnung – auf das gleiche matte und schlecht auflösende Material aber auch die Fotos aufzutragen, nicht optimal. Überhaupt hätten die Fotografien, oder wenigstens einige von ihnen, in den Text integriert werden sollen. Während der Lektüre immer wieder zu den einschlägigen Abbildungen blättern zu müssen, ist erst lästig, nach einer Weile ermüdend und unterbleibt am Ende ganz.
Manch wichtige Information findet nur beiläufig Erwähnung. So erfahren die Leser nur in Nebensätzen, dass die experimentelle Zucht von 2D-Kristallen zeit- und kostenintensiv ist – wer hat beispielsweise ein Mikroskop mit Fotoadapter zur Hand? Diese einordnende Auskunft hätte deutlicher gemacht werden sollen.
Alles in allem wird nicht klar, welche Zielgruppe dem Autor vorschwebt. Hobbychemiker und naturwissenschaftlich beschlagene Fotografen, die nach ausgefallenen Projekten für lange Winterabende suchen, könnten von dem Buch profitieren. Auch für den Schulunterricht oder manche Grundlagenvorlesung in Chemie, Biologie oder Physik könnte sich das Werk eignen. Doch sollten Nachahmer wissen, was sie tun, denn die Anleitungen des Autors sind nicht sehr ausführlich.
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