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»Bin im Wald!«: Mit einem Forstexperten unterwegs

Nutzung, Benutzung oder Nichtnutzung: Wie sollte man mit unserem Wald umgehen? Diesen Fragen stellt sich der Forstwissenschaftler Bastian Kaiser. Eine Rezension
Moose überziehen Totholz

Der Wald ist seit ein paar Jahren wieder sehr gefragt. War er vor ein paar Jahrzehnten vor allem im Zusammenhang mit dem sauren Regen im Gespräch, entdecken die Menschen heute »ihren Wald« mit einem hohen Erholungs- und Freizeitwert für sich. Aber nicht nur …

»Wälder sind so verschieden wie die Regionen und Landschaften, in denen sie wachsen, und wie die Menschen, die sie wahrnehmen, ignorieren, nutzen, bewirtschaften, fürchten und wertschätzen.« Das stellt der Forstwissenschaftler Bastian Kaiser relativ am Anfang seines Buchs »Bin im Wald« fest. Und weiter: Unsere Wälder, insbesondere in Europa, zeugten von Nutzung und Inanspruchnahme der unterschiedlichen Waldleistungen. Sein Anspruch: Er will ein persönliches, leicht verständliches Buch schreiben, das dennoch fachliche Einblicke in das Thema gibt – und die komplexen Zusammenhänge aufzeigt.

Inhaltlich schlägt Kaiser den Bogen vom heutigen Be- und Zustand der Wälder weltweit als Ausgangslage über die unterschiedlichen Nutzungsformen im Lauf der Jahrhunderte bis hin zu den Zukunftsperspektiven. Immer wieder kommt dabei das Thema Nachhaltigkeit zur Sprache. Das passt, schließlich stammt die erste Erwähnung des heute fast überstrapazierten Begriffs vom Holzlogistiker Hanß von Carlowitz (1646–1714). Diesem ging es darum, wie sich die Holznutzung auch in Zukunft sicherstellen lässt. Im Zentrum stand damals aber nicht der Naturschutz, sondern der Schutz einer wichtigen Ressource. Und heute? Typisch für die hiesigen Wälder sei neben der Holznutzung das enge Nebeneinander von Siedlungen und Wald, meint Kaiser. Dabei hätten die Deutschen tatsächlich ein besonderes, persönliches Verhältnis zum Wald, was wie so vieles mit unserer Kultur zusammenhänge.

Wald ist nicht gleich Forst

»Die Geschichte vom Wald zum Forst ist eine Kulturgeschichte«, schreibt der Autor auch im Zusammenhang mit der historischen Entwicklung unserer Wälder. So beschreibt er zum Beispiel die Holznutzung, wie sie in den so genannten Plenterwäldern im Schwarzwald, privaten Walderwerbsbetrieben mit mittelgroßen Waldanteilen und zusätzlich etwas Weide- oder Landwirtschaft, üblich war. Typisch sei unter anderem eine selektive, punktuelle Fällung vor allem von älteren Bäumen gewesen. Heute überwiegen in Mitteleuropa dagegen Altersklassenwälder mit wenigen Baumarten, die mehr oder weniger das gleiche Alter haben. Den naheliegenden Grund erkennt Kaiser in der leichter planbaren Holzernte.

Beim Thema der unterschiedlichen Holznutzung zeigt sich ebenfalls der breite Wissensschatz des Autors. Man erfährt von früheren Verwendungen in der Flößerwirtschaft, zum Schiffsbau oder zur Glasherstellung ebenso wie vom Werkstoff in aktueller Zeit, ob als wieder entdecktes Bauholz oder als wichtiger Energielieferant.

Dem Anspruch eines Sachbuchs wird der Autor gerecht, indem er immer wieder konkrete Daten einbaut: zur weltweiten Waldverteilung, den häufigsten Baumarten, den Waldverlusten und mehr. Deutlich wird dabei, dass sich das je nach Land sehr unterschiedlich gestaltet.

Genauso liefert Kaiser Antworten auf naheliegende Fragen: Wem gehören die Wälder in Deutschland oder in anderen waldreichen Ländern? Ab wann spricht man bei einem Baumbestand von einem Wald? Und woher kommen die Zahlen zum Waldbestand in Deutschland? Vermutlich kennen nur wenige die staatliche Vorschrift zur Bundeswaldinventur, nach der seit 1989 in regelmäßigen Abständen Daten erhoben werden.

Inzwischen sind die Wälder ins Bewusstsein gerückt. Einerseits ist das nach Ansicht des Autors von der Sehnsucht nach etwas Bleibendem und Natürlichem geprägt. Andererseits sei der Zusammenhang von Wald und Klima mittlerweile bewiesen und bekannt. In diesem Zusammenhang passen die detaillierten Erläuterungen zu den Ökosystemleistungen, vom Beitrag zur Biodiversität bis zum CO2-Speicher.

Dreh- und Angelpunkt ist für Kaiser letztlich die Frage: Nutzung, Benutzung oder Nichtnutzung? Dabei betont er einmal mehr, dass man bei dem Thema Waldumbau und anderes in langen Zeiträumen denken muss. Eine Baumgeneration dauert immerhin rund 100 Jahre, nicht selten länger. Unabhängig davon müsse man die Umwandlung in klimaresiliente Wälder aktiv unterstützen, meint der Experte – aber nicht gegen die natürlichen Prozesse und auf der Basis von Wissen plus Erfahrung.

»Wir wissen nicht, welche Baum- und Pflanzenarten morgen für uns Menschen wichtig sein könnten«, schreibt er am Ende. Die Lektüre des lesenswerten Buchs samt dem guten Anhang mit weiteren Einzelheiten macht aber klar, dass man sich wohlüberlegt, rechtzeitig und vorbeugend auf die Zukunft einstellen sollte.

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